Mit Ende seines Zivildienstes war Markus Hanauer zunächst unsicher, welchen Weg er nun einschlagen sollte. Klar war nur, dass ihn, seit er erstmals mit Computerspielen in Berührung gekommen war, alles Digitale interessierte – und Werbung fand er auch „irgendwie spannend”. Ein Praktikum sollte die Entscheidungsfindung erleichtern. Wie der Zufall so spielt, war der Vater eines Freundes Marketingleiter bei Siemens Medizintechnik (heute Siemens Healthineers) und der bot ihm einen Praktikumsplatz an. Während seines siebenmonatigen Praktikums arbeitete Hanauer vor allem an Internet- und Intranetprojekten mit und kam dabei auch mit verschiedenen Agenturen in Berührung. „Dabei habe ich ziemlich schnell mitbekommen, was Menschen, die mit Agenturen zusammenarbeiten, mögen und was sie eher weniger mögen”, erinnert sich Hanauer.
Nach seinem Praktikum schrieb sich Hanauer für einen BWL-Studienplatz ein, parallel wurde er schon im ersten Semester Werkstudent im Bereich Computertomografie von Siemens. Die Siemens-Aufträge nahmen schnell zu, und wenn Hanauer sie nicht selbst bearbeiten konnte, hatte er immer einen „Nerd-Kumpel”, den er empfehlen konnte. Schließlich wurden Hanauer und seine Freunde gefragt, ob sie nicht das komplette Intranet für die Computertomografie weltweit bauen wollten. Zu fünft saßen sie dann in einer mit Computer vollgestellten WG, und nach einem halben Jahr konnten sie das Ergebnis ihrer Arbeit präsentieren. Die anderen Intranet-Projekte bei Siemens Medizintechnik wurden von Agenturen wie Publicis und Accenture betreut, aber das der Studenten gewann einen Preis als bestes Intranet, gewählt von 4.000 Vertriebsleuten. „Anschließend haben sich die Aufträge komplett überschlagen, weil wir viel günstiger waren als die anderen und anscheinend auch besser”, lacht Hanauer.
■ Die Agenturgründung
Im dritten Semester arbeitete Hanauer fast nur noch – „auch jede Nacht bis zwei oder drei” – und das Ergebnis war schließlich eine stressbedingte Gürtelrose. Um sein Stresslevel herunterzufahren, entschloss er sich, nicht mehr zweigleisig zu fahren. Er hängte sein Studium 1999 an den Nagel und gründete eine GmbH – die Geburtsstunde von Spirit Link.
Die Agentur war zunächst ausschließlich auf Digital fokussiert – die Spezialisierung auf das Thema Gesundheit kam erst fünf Jahre nach Gründung. „Das waren wilde Zeiten. Unser Hauptkunde war zwar Siemens Medizintechnik und schnell auch andere Unternehmensbereiche, aber daneben haben wir für jeden gearbeitet, der irgend-etwas Digitales wollte – ob ein Apotheker aus der Nachbarschaft, Adidas oder auch die Deutsche Bank. Wir haben auch die Webseite für eine Pizzeria gebaut und wurden im Gegenzug mit Pizza versorgt”, schmunzelt Hanauer.
Den Traum, ein eigenes Unternehmen zu führen, habe er nie gehabt, erzählt er. Es sei eher eine Chance gewesen, die sich aus dem Markt heraus ergeben habe, aber auch eine tolle Selbstbestätigung: „Wenn man unsicher ist, welchen Weg man einschlagen will, und dann finden Menschen, die 10 oder 20 Jahre älter sind, cool, was man macht, dann fühlt man sich schon sehr wertgeschätzt.” Das Team habe sehr viel ausprobiert in dieser Zeit – und sich dabei manchmal auch fast die Zähne ausgebissen. Hanauer zitiert den damaligen Marketingleiter der Siemens-Computertomografie, der anlässlich des fünften Agentur-Geburtstags sagte: „Spirit Link ist für mich Unerschrockenheit.”
■ Fokus auf Healthcare
„Eine Vision und ein bewusstes unternehmerisches Entscheiden gab es zunächst nicht”, sagt Hanauer. „Das kam erst nach ungefähr fünf Jahren, als wir uns erstmals so richtig mit einer Strategie beschäftigt haben und dann die Entscheidung trafen, uns auf Healthcare zu fokussieren.” Spirit Link hatte damals zwei Optionen: Sich entweder auf einen bestimmten Bereich – B2B, Healthcare oder Technologie – zu spezialisieren oder als Digitalagentur eine Local-Hero-Strategie zu fahren. Nach langen Diskussionen beschloss man, sich auf Healthcare zu fokussieren – ein mutiger Schritt, aber auch ein notwendiger, denn der Agenturführung war bewusst, dass man sich klar positionieren musste, um langfristig am Markt bestehen zu können. Es dauerte dann noch einmal fünf Jahre, bis alle Nicht-Healthcare-Kunden abgebaut und bei gleichzeitigem Wachstum durch Healthcare-Kunden ersetzt waren – Novartis war der erste große Kunde aus dem Pharmamarkt.
In den ersten Jahren habe er lernen müssen, mit der Verantwortung für Mitarbeitende und Kunden zu leben, ohne „kirre” zu werden. Das sei eine Frage der Persönlichkeitsentwicklung, aber es sei ihm auch von Anfang an wichtig gewesen, Teil eines Teams zu sein. Alleine zu sein mit der Verantwortung – und auch mit den Sorgen, die sich zwangsläufig damit ergeben – sei für ihn immer eine Horrorvorstellung gewesen. „Es war für mich immer wertvoll, die Agentur gemeinsam mit anderen zu führen”, betont Hanauer.
Die Agentur habe in den ersten Jahren natürlich auch einige Stürze erlebt, aber daraus habe man enorm viel gelernt. „Wir hatten beispielsweise 2004 mal eine Phase, in der wir uns zu sehr mit uns selbst beschäftigt und uns zu wenig um die Kunden gekümmert haben. Die wurden dann unzufrieden, was wir aber zunächst gar nicht richtig wahrgenommen haben, aber dann gingen auch die Aufträge zurück”, berichtet Hanauer. Das Learning aus dieser Situation – und ein Prinzip, das bis heute bei Spirit Link gilt: Ganz oben steht die Kundenzufriedenheit, auf Platz zwei die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und daraus resultierend auf drei die Umsatzrendite.
Lange Zeit war Siemens der Hauptkunde von Spirit Link. „Wir sind mit und an Siemens gewachsen und sehr dankbar, dass das Unternehmen über so viele Jahre ein großer und stabiler Kunde für uns gewesen ist”, sagt Markus Hanauer. Diese Situation hat sich erst vor rund fünf Jahren verändert. Denn das Führungsteam traf die strategische Entscheidung, nicht weiter so stark auf Medizintechnik, sondern vor allem auf den deutlich größeren Rx-Pharmamarkt zu setzen. „Siemens ist zwar nach wie vor ein wichtiger Kunde, aber es ist nicht der Leitkunde, der uns in die Zukunft führt”, so Hanauer.
■ Von Digital zur Agentur für ganzheitliche Kommunikation
Bis etwa 2011 war Spirit Link noch rein digital unterwegs, denn das Credo der Agentur lautete, nur Projekte anzugehen, bei denen man sich selbst zutraute, sie auch richtig gut zu machen. Denn bei Spirit Link geht es nicht darum, einfach nur Geschäft mitzunehmen, sondern immer darum, die Kunden „happy” zu machen. Um 2010 herum begannen viele Agenturnetzwerke, sich für digitale Healthcare-Agenturen zu interessieren, und auch Spirit Link bekam einige Übernahmeangebote. „Wir haben uns dann bewusst gemacht, dass ein Network eine Agentur wie uns in ihr Konstrukt integrieren würde und wir dann der digitale Zulieferer für jemanden wären, der die ganzheitliche Kommunikation verantwortet. Aber das wollten wir nicht sein.” Und Hanauer nennt noch einen zweiten Grund, nicht zu verkaufen: „Wir wollten auch unsere Kultur, die wir als sehr wertvoll ansehen, erhalten. Denn in einem Netzwerk steht nicht mehr die Kundenzufriedenheit an erster Stelle, sondern Wachstum und Rendite.”
Ein Highlight aus der Agenturgeschichte: Anlässlich des „Breast Cancer Awareness Month“ 2009
konzipierte Spirit Link die weltweite Online-Kampagne „Turn your city pink!“ für Siemens Healthcare. Quelle: Spirit Link
Dies erkannt zu haben, führte zu einer erneuten wegweisenden strategischen Entscheidung: Entgegen dem, was sich damals gerade im Markt tat – jeder war auf der Suche nach Digitalkompetenz und hat entsprechende Agenturen gekauft – beschloss das Management-Team von Spirit Link, dem neben Markus Hanauer schon viele Jahre Gunther Tutein und Heiko Pröger angehören, den entgegengesetzten Move: Statt rein digitaler bietet Spirit Link seitdem ganzheitliche Healthcare-Kommunikation an. „Da wir nicht nur Zulieferer sein wollten, mussten wir den Kunden eine ganzheitliche Beratung und einen ganzheitlichen Service anbieten”, betont Hanauer.
■ Erfolg verglücklichen
Bei Spirit Link ist man überzeugt, Arbeit anders organisieren und machen zu können, als die meisten anderen es tun. Und genauso sind Gewinne und Wachstum kein Selbstzweck. „Wir hatten von 2008 bis 2018 sogar eine Nicht-Wachstumsstrategie”, berichtet Hanauer. „Für andere Unternehmer ist so etwas sehr irritierend, aber gerade in unserer Branche gibt es tolle Beispiele, dass es Vorteile haben kann, nicht zu wachsen.” Denn unter Umständen müsse man dann Leute einstellen, die nicht zu einem passen und die dann meistens auch schnell wieder weg seien, und genauso müsse man, um seine Wachstumsziele zu erreichen, jeden Auftrag annehmen. Wobei Hanauer betont, dass das Nicht-Wachsen ausschließlich auf „Euro” bezogen sei. „In anderen Dimensionen wächst man durchaus – in der Fachkompetenz, in der Passung mit den Kunden, in der Kultur.” Es sei nie sein Ziel gewesen, einen möglichst großen „Laden” aufzubauen, sondern im Vordergrund stünden Professionalität und Menschlichkeit. „Unsere Mitarbeitenden haben einen hohen Anspruch an sich selbst und wollen hochprofessionell arbeiten, sie wollen aber gleichzeitig als Menschen gut miteinander umgehen und sich bei der Arbeit wohl fühlen.” Die entsprechende „Reason why”, die man nach der Entscheidung, die Agentur nicht zu verkaufen, herausgearbeitet hat, lautet bei Spirit Link „Erfolg verglücklichen”.
■ Professionalität & Menschlichkeit
Seit Jahren ist Spirit Link weit vorne bei der Zertifizierung von „Great Place to Work“. Für Markus Hanauer ist genau die Dualität aus Professionalität und Menschlichkeit für die Attraktivität als Arbeitgeber entscheidend. „Bei uns können sich die Mitarbeitenden als Menschen zeigen und müssen keine Rolle spielen oder sich verstellen. Ich glaube, so etwas kostet ganz viel Kraft und ist nicht gut für den Umgang miteinander.“ Zum anderen bekämen die Mitarbeitenden viel Verantwortung und könnten den Arbeitsalltag in der Agentur mitgestalten. Dabei sei es keineswegs so, dass Spirit Link als Arbeitgeber die netteren oder besseren Menschen auswähle, sondern man schaffe eine Umgebung, in der es herzlicher zugehe als in anderen Settings, in denen es ausschließlich auf das Profitum ankomme.
In der Zusammenarbeit mit den Kunden ist Markus Hanauer Partnerschaftlichkeit und die gleiche Augenhöhe wichtig. An Pitches, bei denen lediglich eine Präsentation hochgeladen wird, nimmt Spirit Link in der Regel nicht teil. „Wenn wir nicht mit den Leuten reden, Fragen stellen und schauen dürfen, ob wir gemeinsam auf spannende strategische Gedanken kommen, dann braucht man uns auch nicht. Denn ich will immer unsere maximale Kraft entfalten können – für uns selbst, aber vor allem für unsere Kunden“, sagt Hanauer.
Ein Projekt aus den ersten Jahren für den Hauptkunden Siemens Medizintechnik:
„Clinical Workflow Knowledge“ war ein digitales Trainingsprogramm für Healthcare Professionals. Quelle: Spirit Link
Nach Zielen für die Zukunft gefragt, sagt er, Spirit Link wolle wieder mehr mit den Kunden daran arbeiten, dass Kommunikation etwas wird, das einen Unterschied macht und einen Geschäftsbeitrag leistet. Bei manchen Kunden gelinge das bereits, bei anderen nicht, weil das Operative häufig sehr dominant sei und man dadurch in Aktionismus verfalle. „Wir würden gerne mehr dafür tun, wieder so ein bisschen die ruhigere Insel zu sein, die den Kunden dabei hilft, sich mehr auszurichten“, so Hanauer. „Es geht darum, genauer zu überlegen, was das Richtige ist und weniger getrieben zu sein, denn ich glaube, dabei bleibt viel Potenzial und auch viel Geld auf der Strecke.“ Man wolle ein Partner für Kunden sein, die ein bisschen mehr Ruhe hineinbringen wollen. Denn für den Spirit-Link-Chef geht es nicht darum, möglichst viel, sondern vor allem darum, schlauer zu kommunizieren.