Das Gesundheitswesen steht unter enormen Kostendruck, zudem hat das öffentliche Interesse an Klimaschutz und Nachhaltigkeit nachgelassen. Prof. Alena Buyx, Professorin für Ethik in der Medizin an der Technischen Universität München und ehemalige Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, zeigte sich auf der WeACT Con trotzdem zuversichtlich: „Wir sind vor der Welle – die Aufmerksamkeit wird zurückkehren.“ Jetzt sei die Zeit, auf die eigene Stärke zu setzen. Eine dieser Stärken liege im hohen Vertrauen, das Ärzt:innen, Pflegekräfte und andere Angehörige der Gesundheitsberufe genießen – und welches sie zu glaubwürdigen und wirksamen Botschafter:innen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit mache.

Gesundheitsberufe tragen besondere Verantwortung für Nachhaltigkeit

Darauf wies auch Kerstin Blum hin, Geschäftsführerin von Gesunde Erde – Gesunde Menschen: „Das Gesundheitswesen hat die besondere Chance, Treiber in der Diskussion über den Erhalt unserer Lebensgrundlagen zu sein. Denn alle Veränderungen, die es für die Gesundheit der Erde braucht, nutzen auch unserer eigenen Gesundheit. Wir können es schöner haben – und gesünder.“ Gerade bei Fragen rund um Ernährung, Städteplanung oder Mobilität gehe Nachhaltigkeit häufig mit besserer Gesundheit einher, es gebe also viele Co-Benefits.

Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit gehen häufig Hand in Hand

Dass der Kostendruck, unter dem das Gesundheitswesen steht, keine Ausrede mehr sein darf, auch das Gesundheitswesen selbst nachhaltiger auszurichten, darüber waren sich die Teilnehmenden der WeACT Con einig. Denn Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit gehen häufig Hand in Hand. "Pauschal zu sagen: Nachhaltigkeit ist nicht wirtschaftlich, das stimmt nicht. Es gibt viele Beispiele, in denen Nachhaltigkeit auch wirtschaftlich ist. Wir hätten gerne mehr Spielräume, solche Sachen auszuprobieren. Wir haben sehr viele Ansatzpunkte um im Gesundheitswesen nachhaltiger zu werden“, erklärte etwa Dr. Gertrud Demmler, Vorständin der SBK Siemens-Betriebskrankenkasse. Beispiel Prävention: Es ist nicht nur medizinisch und ökologisch am besten, wenn Menschen gar nicht erst krank werden – es ist auch am günstigsten.

Über Grenzen hinaus: Internationales Plenum

Die WeACT Con stand in diesem Jahr unter dem Motto „Denken und Handeln über Grenzen hinaus“. So gab es erstmals auch ein Plenum für internationale Best-Practice-Beispiele. Die globale Gesundheitspolitik stehe aktuell vor enormen Herausforderungen, wie Prof. Ilona Kickbusch berichtete, Vorsitzende des Global Health Centre in Genf und eine der führenden Stimmen in der internationalen Gesundheitspolitik. „Es fehlt der internationale Konsens zu zentralen Werten wie Gerechtigkeit, Menschenrechten und den Rechten von Frauen – das erschwert die Zusammenarbeit erheblich“, so Kickbusch. Durch den Rückzug der USA sei die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gezwungen, ihr Budget um etwa die Hälfte zu kürzen.

Trotzdem zeigten zahlreiche Vorträge internationaler Expertinnen und Experten aus Ländern wie Irland, Frankreich und Belgien: Es gibt Grund zur Hoffnung. Überall auf der Welt entstehen neue Initiativen, die voneinander lernen und gemeinsam Fortschritte erzielen.

Charles Flahault aus Frankreich stellte zum Beispiel einen Leitfaden vor, der eine vereinfachte Ökobilanz für Medikamente ermöglicht – ein innovativer Ansatz, um den ökologischen Fußabdruck des Gesundheitswesens merklich zu reduzieren. Der Hintergrund der Ella Roberta Stiftung aus dem Vereinigten Königreich ist tragisch: Mit ihr setzt sich Rosamund Adoo-Kissi-Debrah für saubere Luft und Gesundheitsgerechtigkeit ein, nachdem ihre Tochter an den Folgen von Luftverschmutzung starb.

WeACT Con 2025: zwischen „sustainability fatigue“ und Aufbruchstimmung

Obwohl – oder gerade weil – die Rahmenbedingungen aktuell schwierig sind, verströmte die WeACT Con Aufbruchsstimmung. Denn es gibt viele Beispiele, bei denen Nachhaltigkeit heute schon deutlich stärker im Alltag der Gesundheitsbranche angekommen ist, als dies noch im vergangenen Jahr der Fall war. Dazu zählen Kliniken, die auf nachhaltige und gesunde Ernährung umstellen. Aber auch viele kleine und große kooperative Initiativen, die Lösungen aufzeigen.

Herz und Hirn erreichen: Nachhaltigkeit muss erklärt werden

Die Herausforderungen, für mehr Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen zu werben, bleibt vor dem Hintergrund zunehmend polarisierter gesellschaftlicher Debatten groß. Dr. Mirjam Jenny, Wissenschaftliche Geschäftsführerin am Institute for Planetary Health Behaviour der Universität Erfurt, erklärte in diesem Zusammenhang: „Die Mehrheit weiß nicht, dass sie die Mehrheit ist. Anders als oft suggeriert, wünscht sich die Mehrheit mehr Klimaschutz – sie wird nur zu selten sichtbar gemacht“. Kerstin Blum fasste passend zum Motto der WeACT Con zusammen: „Wir müssen Türen öffnen, Herz und Hirn erreichen und zum Handeln motivieren.“

Viele Teilnehmende, mehr Programm: WeACT Con wächst weiter

Etwa 200 Teilnehmenden aus Ärzteschaft, Kliniken und Apotheken, von den Krankenkassen und Verbänden sowie Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik haben auf der WeACT Con die Gelegenheit genutzt, sich zu vernetzen, auszutauschen und neue Ideen zu entwickeln. Mit Workshops, Symposien, Podiumsdiskussionen, einem internationalen Plenum vielen Vorträgen und interaktiven Diskussionsformaten ist das Programm der WeACT Con im Vergleich zum Vorjahr noch einmal gewachsen. Die WeACT Con fand am 6. und 7. Mai 2025 auf dem Berliner EUREF-Campus statt.

„Es ist wichtig, dass wir am Ball bleiben, auch in Zeiten, in denen die öffentliche Wahrnehmung gerade nicht den Fokus auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz legt. Wir sind sehr stolz, dass sich die WeACT Con als Leitkongress zum Thema Gesundheit, Umwelt und Nachhaltigkeit weiter etabliert und wir damit ein positives Signal in die Branche senden können“, sagt Dr. Sandra Kluge, Head of Communications & Health Policy und Unternehmenssprecherin bei Chiesi Deutschland. Das italienische Familienunternehmen Chiesi hat die WeACT Con initiiert und gemeinsam mit Partnern organisiert.

Save the Date: WeACT Con 2026

Die WeACT Con findet jährlich statt. Sie bietet als Leitkongress für die Themen Umwelt- und Klimaschutz im Gesundheitswesen einen Ort für dauerhafte Netzwerke und interprofessionelle Diskussionen. Auch einen Termin für die Folgeveranstaltung gibt es schon: 2026 soll die WeACT Con am 6. und 7. Mai wieder auf dem EUREF-Campus in Berlin stattfinden.