Frau Eichner, die Agentur WE Communications führt regelmäßig Umfragen durch. In diesem Jahr haben Sie den Fokus auf die Unternehmensreputation und deren Einfluss auf ärztliche Verschreibungen gelegt. Was hat Sie dazu bewogen, sich dieses Verhältnis genauer anzuschauen? 
Bianca Eichner: Zu lange wurde der Ruf eines Unternehmens fälschlicherweise als softer Wert angesehen und die notwendigen Ressourcen für den Aufbau und Schutz der Unternehmensmarke waren stark umkämpft. Dank unseres „Brands in Motion Health Reports“ haben wir jetzt klare Beweise dafür, dass Investitionen in die Reputation – sei es auf Unternehmens- oder indikationsspezifischer Ebene – nicht nur das Verschreibungsverhalten von Ärztinnen und Ärzten direkt beeinflussen, sondern auch auf anderen Ebenen einen positiven Einfluss auf den geschäftlichen Erfolg haben können. 
Die aktuelle Studie, für die wir über 500 verschreibende Fachkräfte aus sechs verschiedenen Märkten, darunter 90 Ärzt:innen aus Deutschland, befragt haben, ist eine Weiterentwicklung unseres Reports aus dem vergangenen Jahr. Insgesamt umfasste unser Panel 43 Prozent Allgemeinmediziner:innen und 57 Prozent Fachärzt:innen.

Was sind die zentralen Ergebnisse der Studie?
Die Ergebnisse zeigen, dass die Führung in einem Indikationsbereich sowie der Ruf eines Unternehmens für das Verschreibungsverhalten von Ärztinnen und Ärzten eine zentrale Rolle spielen. Dies gilt in Fällen, in denen Therapien in Bezug auf Sicherheit, Wirksamkeit und Preis vergleichbar sind.
Als Spezialist für Kommunikation wissen wir zwar schon lange um die Bedeutung der Reputation, oft aber einfach aus dem Instinkt heraus. Durch unsere Studienergebnisse haben wir nun den Beweis, um die tatsächlichen Auswirkungen der Reputation aufzuzeigen.

Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus diesen Erkenntnissen?
Wir wissen jetzt, dass eine gute Reputation – sowohl im indikationsspezifischen Bereich als auch auf Unternehmensebene – ein entscheidender Wachstumstreiber für Unternehmen sein kann. 
In unserer diesjährigen Studie gaben 81 Prozent der befragten Ärzt:innen – und sogar 84 Prozent der deutschen Teilnehmenden – an, dass der Unternehmensruf ihre Wahrnehmung eines Medikaments beeinflusst. Besonders die Marktführerschaft eines Medikaments in einem bestimmten Indikationsbereich (59 Prozent) und der allgemeine Unternehmensruf (58 Prozent) spielen eine große Rolle bei der Verschreibungsentscheidung. 
Lässt man die Befragten die wichtigsten Aspekte für die Unternehmensreputation bewerten, sehen diese „Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit“ an erster Stelle. Insbesondere für deutsche Befragte war dies mit über 20 Prozentpunkten Vorsprung ein sehr wichtiger Faktor. Vertrauen, Transparenz und Kommunikation sowie Innovation folgen auf den Plätzen zwei bis vier.

Welches Ergebnis hat Sie dabei besonders überrascht?
Eine interessante Erkenntnis aus unserem Report ist, dass 19 Prozent der deutschen Ärzt:innen angaben, Social Media häufig oder sogar regelmäßig im beruflichen Kontext zu nutzen. Dies liegt zwar noch deutlich unter den globalen Ergebnissen, die bei 28 Prozent liegen, dennoch ist das ein nicht zu unterschätzender Faktor. 
Obwohl wir oft noch davon ausgehen, dass die Kommunikation mit Ärzt:innen analoger erfolgen muss als mit anderen Zielgruppen, sollten wir uns bewusst machen, dass auch diese zunehmend jünger wird und Online-Informationen eine zunehmend große Rolle spielen. Auch wenn die deutsche Pharmalandschaft im Vergleich zu anderen Märkten tendenziell analoger unterwegs ist, befinden wir uns auch hier im Wandel. Besonders in Bezug auf die Reputation müssen wir uns vor Augen halten, dass auch Ärzt:innen in ihrer Freizeit Medien konsumieren und dort über Informationen stolpern, welche wiederum Einfluss auf ihre beruflichen Entscheidungen haben können.

Gibt es weitere spannende und überraschende Insights?
Interessant ist zudem, wie Ärzt:innen den Ruf eines Unternehmens auf verschiedenen Ebenen betrachten: Auf der höchsten Ebene geht es um den allgemeinen Unternehmensruf. Es folgt die Wahrnehmung des Unternehmens innerhalb eines spezifischen Indikationsbereichs, und schließlich, auf der operativen Ebene, spielt die Wahrnehmung einzelner Marken eine wichtige Rolle. Diese differenzierte Sichtweise zeigt, wie vielschichtig und facettenreich sich die Wahrnehmung eines Unternehmens in der medizinischen Fachwelt gestaltet. Und es zeigt auch, dass die Verantwortung für die Reputation nicht bei der Unternehmenskommunikation allein liegen kann. Denn auch Medical, Market Access und Marketing auf Indikations- und Produktebene sowie der Außendienst haben Auswirkung darauf, wie ein Unternehmen in den drei genannten Ebenen von außen wahrgenommen wird. Eine gute Reputation kann daher nur im Team und im Zusammenspiel dieser Akteure gelingen. 

Wie weitreichend ist die Macht der Reputation tatsächlich?
Unsere Daten zeigen, welchen Einfluss ein guter Ruf haben kann, auch über das Verschreibungsverhalten hinaus. So berichteten 62 Prozent der Ärzt:innen, dass sie bei Unternehmen mit einer starken Reputation ein größeres Vertrauen innerhalb der medizinischen Gemeinschaft verspüren. Über die Hälfte nimmt eine hohe Glaubwürdigkeit dieser Unternehmen in der Branche wahr, und ein Drittel der Ärzt:innen ist eher bereit, Kooperationen und Partnerschaften mit diesen Unternehmen einzugehen und mit ihnen zusammenzuarbeiten.

In welchen weiteren Bereichen – neben dem ärztlichen Verschreibungsverhalten – wird das besonders deutlich? 
Wir empfehlen, die Reputation auf jeder Ebene gezielt zu analysieren, um die richtigen Hebel zu finden, mit denen sich die Reputation verbessern und dadurch das Verschreibungsverhalten positiv beeinflussen lässt. Unternehmen, die in den Aufbau einer markenübergreifenden, indikationsspezifischen Reputation investieren, können weit über die Qualität einzelner Medikamente hinaus überzeugen. Wenn sie ein ganzheitliches Bild ihres Engagements in einem Indikationsbereich aufbauen, kann das zum Zünglein an der Waage für eine Verschreibung, aber auch für Partnerschaften und Kooperationen werden.

Welche Faktoren beeinflussen heutzutage die Reputation von Pharma-Unternehmen?
Wie bereits erwähnt, ist der Aspekt „Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit“ ein bedeutender Treiber der Unternehmensreputation. Knapp drei Viertel der Ärzt:innen stuften diesen Aspekt als entscheidend ein. Darüber hinaus nannten die Befragten Vertrauen (52 Prozent), Transparenz und Kommunikation (47 Prozent) sowie Innovation (44 Prozent) – besonders wichtig in Deutschland – als weitere entscheidende Aspekte der Reputation. 
Wenn es um die Frage der Definition von „Vertrauen“ geht, bezogen sich 62 Prozent der Ärzt:innen hier auf die Qualität und die Wirksamkeit der Medikamente. Besonders in der EMEA-Region legen sie großen Wert auf gleichbleibende Produktqualität und -wirksamkeit. Dies zeigt uns, dass Produktkommunikation und Corporate Branding insbesondere in diesen Märkten Hand in Hand gehen müssen. In Deutschland können wir nicht einfach davon ausgehen, dass eine starke Unternehmensreputation automatisch auf die Produktebene abstrahlt – zumindest nicht in dem Maße wie in anderen Märkten. Es ist entscheidend, dass wir diese Aspekte gezielt und parallel kommunizieren, um das Vertrauen sowohl in das Unternehmen als auch in dessen Produkte zu stärken.

Wie kann die Reputation und das Image der Unternehmen im Pharma- und Healthcare-Bereich gesteigert werden?
Unternehmen können ihre Reputation zum Beispiel durch ein starkes Engagement für einen besseren Zugang von Patientinnen und Patienten zu medizinischer Versorgung steigern. Ein positiver Beitrag zur Gesellschaft ist für 49 Prozent der Ärzt:innen wichtig, während 42 Prozent überdurchschnittliche Unterstützung für Patient:innen als zentralen Faktor der Unternehmensreputation sehen.
Innovation ist ein weiterer Faktor für die Verbesserung der Reputation. „Innovativ sein“ alleine reicht aber nicht aus – Unternehmen müssen aktiv darüber kommunizieren. Eine transparente und offene Kommunikation, auch bei Fehlern oder Misserfolgen, ist entscheidend, um Vertrauen aufzubauen. Ärzt:innen legen großen Wert auf Transparenz, insbesondere im Rahmen der klinischen Forschung, wie 39 Prozent der Befragten betonten. Vor allem jüngere Ärzt:innen sehen es als oberste Priorität, dass die klinischen Forschungsaktivitäten eines Unternehmens sichtbar und nachvollziehbar kommuniziert werden. Für Unternehmen bedeutet dies, dass es nicht nur darauf ankommt, innovativ zu sein, sondern auch klar und transparent zu zeigen, wie sie durch ihre Forschung und ihr gesellschaftliches Engagement die therapeutische Versorgung und die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten verbessern.

Wie können die aus der Umfrage gewonnenen Erkenntnisse noch enger in die Kommunikationsaktivitäten der Pharma-Unternehmen einbezogen und genutzt werden? 
Zu Beginn ist es erst einmal wichtig, sich einen Überblick über den Status Quo zu verschaffen. Die Qualität des Unternehmensrufs muss auf verschiedenen Ebenen bewertet werden – sei es auf Unternehmens-, Indikations- oder Markenebene. Dies gibt einen Einblick, welche Aspekte der eigenen Reputation gut funktionieren und in welchen Bereichen es noch Verbesserungspotenzial gibt. 
Dabei ist es essenziell, interne Stakeholder über die Macht der Reputation als Einflussfaktor für Ärzt:innen und als Treiber für den Unternehmenserfolg einzubeziehen. Unsere aktuelle Studie bietet wertvolle Erkenntnisse, um die notwendigen Ressourcen zu erhalten, die zur Verbesserung des Rufs auf allen drei Ebenen erforderlich sind. 

Könnten Sie Ihre Ideen und Lösungen an einem Beispiel veranschaulichen?
Wenn sich in der Analyse beispielsweise gezeigt hat, dass es vor allem die Reputation auf Unternehmensebene ist, welche Optimierungspotenzial aufweist, kann erwogen werden, die Innovationsaktivitäten stärker in den Vordergrund zu rücken. Im Austausch mit Ärzt:innen können Unternehmen darüber sprechen, was Innovation für sie bedeutet und wie sie im Unternehmen gelebt wird, um schlussendlich Produkte mit verlässlicher Qualität liefern zu können. Dabei ist es wichtig, Ärzt:innen als Verbündete zu betrachten, denn sie sind bereit, Partnerschaften einzugehen, sich zusammenzuschließen und im Sinne des Unternehmens tätig zu werden. Kommunizieren Sie transparent über Ihre Forschung und Entwicklung, klinischen Studien, Datenerhebung, Patientenzugang und -aufklärung. Dadurch können Projekte und Ideen für Engagements und Maßnahmen entstehen, die gemeinsam umgesetzt werden können.

Wie sieht die ideale Kommunikation mit den Healthcare Professionals aus – mit dem Wissen um die Bedeutung der Unternehmensreputation?
Um die bereits genannten Punkte nicht zu wiederholen, mache ich es kurz: ehrlich, transparent, wissenschaftlich fundiert und innovationsgetrieben.

Welche Rolle kommt dabei dem Pharma-Außendienst zu? Wie könnte die Ansprache der HCP durch den Außendienst hinsichtlich Unternehmensreputation verändert beziehungsweise optimiert werden?
Der Außendienst erfüllt bereits seit langem eine Doppelrolle. Er ist nicht nur Botschafter des Produktes, sondern auch Aushängeschild des Unternehmens und mitverantwortlich für die Reputation. Das müssen sich Außendienstler:innen bewusst machen und sie müssen in der Lage sein, gelegentlich auch zu übergeordneten Themen des Unternehmens zu sprechen oder die Initiativen des Unternehmens im Gespräch einfließen zu lassen. Es ist wichtig, den Außendienst dabei zu unterstützen und durch Schulungen sowie gute interne Kommunikation dabei zu begleiten, noch aktiver zum Botschafter der Unternehmensebene zu werden. 

Wie wird sich die Bedeutung des Unternehmensimages in den kommenden Jahren verändern? Was bedeutet diese Entwicklung für die Pharmaunternehmen in diesem hochkompetitiven Wettbewerbsumfeld?
In den kommenden Jahren wird die Reputation sicherlich noch wichtiger werden, da sowohl Ärzt:innen als auch Patient:innen und Betroffene zunehmend Transparenz, ethisches Verhalten und Nachhaltigkeit schätzen. Für Pharmaunternehmen bedeutet dies, dass sie sich stärker auf ihre Außenwahrnehmung konzentrieren müssen. Transparente Kommunikation, nachhaltige Praktiken und soziale Verantwortung werden entscheidend sein, um Vertrauen zu gewinnen und Wettbewerbsvorteile zu sichern. Zudem wird die Online-Reputation eine zunehmend große Rolle spielen, da Bewertungen und Meinungen in sozialen Medien das Image immer schneller beeinflussen können. Und auch die Anzahl an Ärzt:innen, die sich online informieren, wird weiter zunehmen. Daher ist es wichtig, die eigene Reputation regelmäßig zu tracken, um schnell reagieren zu können – nicht nur, aber insbesondere im digitalen Bereich. 

Frau Eichner, vielen Dank für Ihre Einschätzungen.