Unverstanden fühlten sich die Pharmawerber Bernd Schmittgall (Schmittgall Health), Alfred Ernst (damals Publicis Vicom, heute Brand Health) und eben Thomas Schmidt-Bieber (damals Sudler & Hennessey, heute Schmidt-Bieber Communication), Anfang der 1990er-Jahre. Bei Awards hatten sie mit ihrer Werbung keine Chance, denn die Jurys der diversen Wettbewerbe verstanden weder die emotionalen noch die juristischen Rahmenbedingungen, die bedingen, warum Pharma-Werbung „so ist, wie sie ist“, wie Schmidt-Bieber in einem Interview mit Pharma Relations anlässlich des „silbernen“ Jubiläums des Comprix 2017 erzählte. „Wir hatten einfach keine Lust mehr, uns an diesen Wettbewerben zu beteiligen, sondern wir wollten einen eigenen Award auf die Beine stellen. Einen Award mit einer aus Fachleuten bestehenden Jury, die weiß, worauf es bei Pharma-Werbung ankommt.“

Schnell gelang es den Initiatoren, neben anderen Agenturen auch den Deutschen Ärzteverlag, Springer Medizin und den Thieme Verlag für ihre Idee zu gewinnen. Zunächst wollte man auch Vertreter der Zielgruppe – also Ärzte – in der Jury haben. Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass das „keine besonders gute Idee“ war, wie sich Schmidt-Bieber lachend erinnert. „Das Problem war, dass die Ärzte angefangen haben, vor allem über die Pflichttexte zu diskutieren. Es war praktisch unmöglich, ihnen den Unterschied zwischen faktischer Information und emotionaler Kommunikation deutlich zu machen.“

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Selbstironie à la Schmidt-Bieber nach der ersten Comprix-Preisverleihung 1993. 
Quelle: Schmidt-Bieber Communication

 

Bei der ersten Ausgabe des Comprix in der Mannheimer „Feuerwache“ wurden Preise in nur drei Rx-Kategorien – Kampagne, Anzeige und Direct Mail – verliehen, weil die Initiatoren davon ausgingen, dass OTC-Kommunikation nicht mit den gleichen Verständnisproblemen zu kämpfen hatte wie die für Rx-Produkte. Daher gab es lediglich einen Sonderpreis für eine besonders herausragende OTC-Kampagne. Doch direkt nach der ersten Preisverleihung wurden Forderungen laut „Wenn schon ein Pharma-Award, dann muss auch OTC dabei sein“. Daher wurden schon beim zweiten Comprix drei OTC-Kategorien sowie je eine für Medizintechnik und Imagewerbung ausgeschrieben. In den ersten Comprix-Jahren war es auch noch so, dass wie bei den Olympischen Spielen in jeder Kategorie Gold, Silber und Bronze verliehen wurden. Durch das rasante Wachstum des Comprix war das aber irgendwann nicht mehr praktikabel. „Entweder hätten wir die Preisträger nicht mehr angemessen würdigen können oder die Verleihung von drei Awards pro Kategorie hätte den zeitlichen Rahmen der Preisverleihung gesprengt“, erklärt Schmidt-Bieber, warum man im Jahr 2000 beschloss, in der Regel nur einen alleinigen Gewinner pro Kategorie zu küren. 

Wie viel Thomas Schmidt-Bieber der Comprix bedeutet, zeigt sich an einer Besonderheit: Als der Comprix Dimensionen annahm, in denen es pro Jahr um sechsstellige Beträge ging, wurde es notwendig, das Ganze juristisch zu fixieren und aus der Initiative eine GbR zu machen. Da sich WPP, die Holding seiner damaligen Agentur Sudler & Hennessey, nicht in dieser Form daran beteiligen wollte, hat Schmidt-Bieber persönlich Anteile übernommen – inklusive des finanziellen Risikos. Das aber überschaubar war, wie er sich erinnert: „Der Comprix ist stetig gewachsen, sodass es meist nicht darum geht, rote Zahlen zu vermeiden, sondern darum, keine Gewinne zu machen.“

Healthcare-Kommunikation war plötzlich „sexy“

Stolz blickt Thomas Schmidt-Bieber auf die Entwicklung, die „sein“ Award genommen hat. Vermissen werde er die Jurysitzungen, bei denen man das Beste vom Besten sehen und sich davon inspirieren lassen konnte. „Durch den Wettbewerb hat sich das Niveau über die Jahre immer weiter verbessert. Hätten wir 1993 den Comprix nicht gegründet, wäre die Pharma- und Healthcare-Kommunikation auf dem Niveau stehen geblieben oder noch schlechter geworden.“ Der „entscheidende Effekt“ des Comprix sei gewesen, dass dieses Kommunikationsfeld für Kreative interessanter wurde. „Healthcare-Kommunikation war plötzlich ‚sexy‘“, lächelt Schmidt-Bieber. Auf den Preisverleihungen werde er sicherlich noch das ein oder andere mal „auftauchen“, kündigt er an, denn „um diese Veranstaltung beneiden uns alle anderen vergleichbaren Awards in Deutschland und auch in anderen Ländern“.

Der Comprix bedeute für die Branche der Healthcare-Kommunikation „ALLES“, betont Schmidt-Bieber und er ist sich sicher: „Ohne den Comprix gäbe es diese Branche so gar nicht mehr!“
Für die Zukunft sieht der Comprix-Gründer den Award sehr gut aufgestellt. Den heutigen und zuküftigen Comprix-Verantwortlichen will Schmidt-Bieber aber dennoch einen Rat mit auf den Weg geben: „Der Comprix ist eine MARKE geworden. Und Marken muss man vital halten, aber auch beschützen.“ Bei allen notwendigen Änderungen und Innovationen komme es daher immer auch darauf an zu überdenken, wie diese sich auf die Marke, also auf die Brand Values, auswirken. „Gedankenloses, übereifriges Ändern hat schon manche Marke ruiniert.“

Als Schmidt-Bieber im Interview 2017 gefragt wurde, wie er es finde, dass sich seine beiden Mitgründer – Alfred Ernst und Bernd Schmittgall – im Lauf der Zeit zurückgezogen haben, sagte er, dass er das zwar „menschlich schade“ finde, es für den Comprix aber überhaupt kein Problem sei, denn man habe gute Nachfolger gefunden.

So kann man das wohl auch nun anlässlich des Abschieds von Thomas Schmidt-Bieber vom Comprix sagen. Der Award für kreative Healthcare-Kommunikation, der größte seiner Art im deutschsprachigen Raum, ist gut aufgestellt – auch wegen Dr. Dörthe Besse von Serviceplan Boosting Health und Karsten Rzepka von Peix, die ihm im Beirat bzw. im Gesellschafterkreis nachfolgen. 

Wer aber beispielsweise mal zu fortgeschrittener Stunde beim traditionellen Jurorenabend mit Thomas Schmidt-Bieber zusammengesessen hat und in den Genuss seiner sehr witzigen Erzählungen aus den Anfangszeiten des Comprix kam, wird sicherlich auch in seinem Fall sagen: „menschlich schade“.