Dass Profi-Fußballer mal ohne Sponsorenlogo auf der Brust um Punkte kämpften, mutet heute etwas seltsam an. Am 24. März 1973 geschah beim Bundesligaspiel zwischen Eintracht Braunschweig und Schalke 04 etwas Revolutionäres: Auf den Trikots der Braunschweiger war das Jägermeister-Logo zu sehen, ein absolutes Novum. Vorausgegangen war ein monatelanger Streit zwischen dem Jägermeister-Chef Günter Mast und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB), dessen Obere meinten, „das hohe Gut Fußball sei fern von jedem Geld“, wie der NDR berichtet. Mit einem Trick – der Jägermeister-Hirsch wurde zum offiziellen Vereinswappen der Eintracht – setzte sich Mast durch. Ein gutes halbes Jahr später gab der DFB die Trikotwerbung für alle Vereine frei.
Einen handfesten Skandal gab es 1987, als der damalige Bundesligist FC Homburg mit dem Logo der Kondommarke „London“ auflaufen wollte. Der DFB sah Moral und Sitten in Gefahr – in einer Zeit, in der gerade der Gebrauch von Kondomen als Schutz vor AIDS propagiert wurde – und verbot die gebrandeten Trikots. Ein Rechtsstreit folgte, während dem die Homburger mit schwarz abgeklebtem „London“-Logo spielten. Bei der „London Rubber Company“ dürfte man sich, ähnlich wie Jägermeister-Chef Mast 14 Jahre zuvor, über die große Aufmerksamkeit gefreut haben, denn „das war natürlich eine riesige Werbung für die Firma, weil jeder wusste, was druntersteht“, zitiert der „Kicker“ den damaligen FCH-Profi und heutigen Trainer des SC Freiburg, Christian Streich.
Zwei Beispiele, die zeigen, wie sich die Zeiten geändert haben. Für ein alkoholhaltiges Getränk – in früheren Zeiten gang und gäbe – würde heute kein Verein mehr auf dem Trikot werben. Und der FC Homburg meldete kürzlich, dass seine Mannschaft beim Pokalspiel gegen die SpVgg Greuther Fürth Ende Oktober mit der Kondommarke „Billy Boy“ auf den Trikotärmeln antreten wird – was heute nicht mal mehr zu einem Skandälchen taugt, aber vielleicht für ein Schmunzeln unter den älteren Fußballfans sorgt.
■ Marken mittels Imagetransfer profilieren
Dass sich der Sport zu einer so wichtigen Kommunikationsplattform entwickelt hat, liege an seiner großen gesellschaftlichen Bedeutung, der emotionalen Strahlkraft und den überdurchschnittlich hohen medialen Reichweiten, heißt es in einer Ausgabe von „Nachspielzeit“, einer Schriftenreihe des Deutschen Instituts für Sportmarketing in Reutlingen. Unternehmen nutzten das Sportsponsoring, um ihre Bekanntheit zu steigern sowie Produkte und Marken mittels eines Imagetransfers zu profilieren. „Sportsponsoring bietet eine attraktive Möglichkeit, den heutigen kommunikationspolitischen Problemstellungen des steigenden Werbedrucks, der erhöhten Reizüberflutung und der sinkenden Effizienz klassischer Kommunikationsinstrumente entgegenzutreten“, schreiben die Autoren Prof. Dr. Gerd Nufer und Fabian Rützel.
Einer der größten Sportförderer und -sponsoren Deutschlands ist die Bayer AG. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts habe das Unternehmen den Wunsch von Mitarbeitern nach einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung befürwortet und den Sport im Umfeld der Produktionsstandorte gefördert, heißt es auf der Bayer-Webseite. Heute unterstützt der Konzern den Sport in vielfältiger Art und Weise. Das wichtigste Aushängeschild ist dabei sicherlich die „Werkself“ von Bayer 04 Leverkusen. Aber auch in anderen Sportarten haben es Athleten mit Unterstützung des Konzerns nach ganz oben geschafft: Bei Olympischen Spielen gewannen Bayer-Sportler bisher insgesamt 70 Medaillen, wie der Zehnkämpfer Willi Holdorf, die Fünfkämpferin und Weitspringerin Heide Ecker-Rosendahl und die Hochspringerin Ulrike Meyfarth. Bayer ist aber nicht nur im Leistungssport aktiv, sondern fördert auch den Breitensport im Umfeld seiner Standorte, zum Beispiel durch den Bau von Sportanlagen.
Traditionell eng verbunden ist Bayer auch dem Behindertensport. So verfügt der Verein Bayer 04 Leverkusen über eine eigene Behindertensportabteilung, eine der größten und erfolgreichsten in Deutschland. Hier gibt es nicht nur integrative Trainingsgruppen, sondern insgesamt beste Voraussetzungen zur Ausübung des Leistungs- und Breitensports – Leverkusen ist auch einer der führenden paralympischen Trainingsstützpunkte für Leichtathleten, Sitzvolleyballer und Schwimmer. 90 Medaillen bei den Paralympics sprechen für sich.
■ Verbundenheit mit dem Standort
Wie Bayer ist auch das Unternehmen Merck in der ersten Fußball-Bundesliga aktiv – und nicht nur dort. Besonders wichtig ist Merck, die Verbundenheit zum Standort Darmstadt deutlich zu machen. „Durch unsere Historie sind wir tief mit der Region und den Menschen, die hier leben, verbunden. Es ist für uns daher selbstverständlich, uns in den Bereichen Soziales, Kultur und Sport im besonderen Maß zu engagieren“, sagt Dirk Sulzmann, Head of Headquarters Marketing & Dialog. Merck unterstützt zahlreiche Sportarten: „Von der ‚Du musst kämpfen Tennis Trophy‘ bis zu vielen Reit-, Golf-, Tennis-, Handball- und Fußballturnieren, den Merck-Lilien-Fußballcamps des SV Darmstadt 98, dem Hessischen Landesschulwettbewerb im Mountainbike in Ober-Ramstadt, zu Tanzveranstaltungen und dem DART Racing Team der TU Darmstadt fördern wir den Sport in seiner ganzen Vielfalt“, berichtet Maxi Nieber, zuständig für das Sportsponsoring.
Das bekannteste Aushängeschild ist aber das Sponsoring bei Darmstadt 98, den sogenannten „Lilien“, deren Stadion vor dieser Saison erneuert wurde. „Das neue Merck-Stadion ist nicht nur ein tolles Geschenk für die Fans und die Menschen hier in der Region, sondern auch zum 125-jährigen Vereinsjubiläum“, sagt Nieber. Im Zusammenhang mit dem Stadion bewies das Unternehmen schon mehrfach Fingerspitzengefühl: Anders als andere Unternehmen, die die Namensrechte an einem Stadion erworben haben, eliminierte Merck den ursprünglichen Namen nicht, sondern behielt ihn bei, weshalb die „Lilien“ im „Merck-Stadion am Böllenfalltor“ spielen können. In der Saison 2016/17 verzichtete der Sponsor sogar komplett auf seine Namensrechte: In Gedenken an einen bekannten Fan, der im Alter von 26 Jahren an einer Krebserkrankung verstorben war, hieß die Spielstätte für ein Jahr „Jonathan-Heimes-Stadion am Böllenfalltor“.
Der Standort spielt auch beim Engagement von Four 20 Pharma als Haupt- und Trikotsponsor beim Fußball-Zweitligisten SC Paderborn eine Rolle, denn Paderborn ist nicht nur Firmensitz, sondern die beiden Geschäftsführer, Thomas Schatton und Torsten Greif, sind gebürtige Paderborner. Mit Four 20 Pharma wirbt erstmals ein Unternehmen aus der Cannabiswirtschaft auf der Brust eines deutschen Profifußballvereins. Wie das Unternehmen mitteilt, möchte man auf diese Weise eine größere Sichtbarkeit erreichen – „um einerseits die Bekanntheit von Four 20 Pharma zu steigern, aber vor allem um andererseits mehr Aufmerksamkeit für die gesamte Medizinalcannabis-Branche zu bekommen“. Denn Four 20 Pharma betreibe eine „massive Aufklärungsarbeit“ zur Wirksamkeit der Cannabispflanze, die nach wie vor mit althergebrachten Stigmata und Vorurteilen belegt sei.
■ Erfahrungen im Spitzensport fließen in die Produktentwicklung ein
Der Bayreuther Medizinprodukte-Hersteller medi hat das lokale Basketballteam von 2013 bis 2022 als Haupt- und Namenssponsor unterstützt, zuletzt bis Ende Juni 2023 in angepasstem Umfang als Namenssponsor. „Nach reiflicher Abwägung“ habe man sich dann entschieden, das Engagement nach zehn Jahren vertrauensvoller Partnerschaft zu beenden. Das Unternehmen begründete die Entscheidung mit der Vielzahl an Investitionen, die in den nächsten Jahren zum Erhalt und Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit notwendig würden. Mit dem lokalen Basketball-Team blicke man aber zurück auf eine langjährige Zusammenarbeit, „in der Werte wie Leidenschaft, Teamgeist und eine hohe Motivation beide Unternehmen eng miteinander verbunden haben“.
Bereits seit 2002 stattet medi die Nationalmannschaften des Deutschen Skiverbandes mit seinen orthopädischen Hilfsmitteln wie Bandagen aus. Die Teams der Nationalmannschaften Biathlon und Nordisch erhalten zudem Kompressionsprodukte der Marke CEP. Die Unterstützung mit den medi-Produkten sei für die DSV-Sportler wichtig, „um sich zu 100 Prozent auf den eigenen Körper verlassen und Höchstleistungen abrufen zu können, sei es als wichtiger Therapiebaustein nach einer Verletzung oder als Unterstützung im Training beziehungsweise auf Reisen“. Doch auch medi profitiert: Die Produkte müssen im Training und beim Wettkampf hohen sportlichen Belastungen standhalten – die Erfahrungen der Spitzensportler können dabei in die Produktentwicklung einfließen. Und in gemeinsamen Interviews teilen die Sportlerinnen und Sportler regelmäßig ihre Erfahrungen mit der Öffentlichkeit, vor Fachpublikum, zum Beispiel als Live-Talk auf Messen, oder für andere Betroffene als Patientengeschichten.
■ Für Prävention und Gesundheitsförderung
Doch nicht nur Industrieunternehmen sind als Sportsponsoren aktiv. So gab der Wort & Bild Verlag Ende Juli bekannt, dass er neuer Partner des Deutschen Hockey-Bundes (DHB) ist. Ziel der Partnerschaft, die zur Hockey-EM 2023 in Mönchengladbach startete, ist die Entwicklung von gemeinsamen Maßnahmen zur Prävention und Gesundheitsförderung. „Der DHB hat sich extrem offen gezeigt, gemeinsam über die Rolle und Vorbildfunktion von Leistungssportlern Projekte anzustoßen, die das Gesundheitsbewusstsein unserer Gesellschaft, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, stärken“, sagt Andreas Arntzen, Geschäftsführer des Verlags und selbst ehemaliger Hockey-Nationalspieler. Die EM nutzte der Verlag, um sich als modernes Gesundheitsmedienhaus zu präsentieren – und natürlich gab es eine hohe Sichtbarkeit der Wort & Bild-Medien durch Logos und Banner. „Außerdem haben wir unser neues Produkt VIER400 bekannt gemacht, ein digitaler Gesundheitsnavigator für das betriebliche Gesundheitsmanagement, entwickelt von unser Tochterfirma Berlin Health Media und seit Oktober auf dem Markt“, berichtet Arntzen.
Hauptzweck der Kooperation ist aber die Entwicklung einer Agenda für den Breiten- und Spitzensport: Vorbilder aus dem Leistungssport sollen Kinder begeistern und sie motivieren, in den Sportverein vor Ort zu gehen. „Seit Jahren verfolgen wir, dass viele Kinder unter enormem Bewegungsmangel leiden und von Folgekrankheiten wie Haltungsschäden, Adipositas oder Diabetes betroffen sind. Ich bin absolut überzeugt davon, dass unsere Gesellschaft das Thema Kinder und Bewegung ernster nehmen und hier viel mehr tun muss“, betont Arntzen. Ein erstes gemeinsames Projekt soll ab Frühjahr 2024 umgesetzt werden. Dabei geht es um den frühkindlichen Erstkontakt zu Ballsportarten, die über eine Art „Ballschule“ mit dem Verband und den Vereinen angeschoben werden soll.