Das Phänomen Corporate Influencer ist nicht neu – andere Branchen haben sie schon länger für sich entdeckt. Der Konzern Siemens beispielsweise setzt sie seit mehreren Jahren ein und bietet Arbeitnehmenden für diese Aufgabe Trainings an. Ein weiteres prominentes Beispiel ist die Firma Otto. Deren Recruiting-Abteilung hat sogar verschiedene Influencer-Profile erstellt, für die sich interessierte Mitarbeitende anmelden können. Anschließend durchlaufen diese ein auf sie zugeschnittenes Schulungsprogramm. Das Konzept scheint aufzugehen: 2020 waren ganze 200 Otto-Influencer im Einsatz. Wundern tut der Siegeszug der Corporate Influencer nicht – immerhin sind im Internet die unterschiedlichsten Influencer aktiv – das Grundprinzip ist also von der Zielgruppe gelernt. Da erscheint es nur logisch, die Influencer auch als Botschafter und Botschafterinnen für die eigene Firma zu nutzen.
■ Authentische Einblicke geben
In der Regel sind Corporate Influencer Mitarbeitende, die mit Fachkenntnissen und Expertise überzeugen und ein gewisses Sendungsbewusstsein haben. Das erleichtert es ihnen, über aktuelle Trends, Forschungsergebnisse und Entwicklungen zu berichten und so das Unternehmen als führenden Akteur in der Branche zu positionieren. Zudem geben sie durch das Teilen persönlicher Erfahrungen und Geschichten authentische Einblicke in die Arbeitskultur bei der jeweiligen Pharmafirma. Sie berichten über ihre täglichen Aufgaben, Projekte und Erfolge, nehmen potenzielle Bewerberinnen und Bewerber mit und schaffen eine erste, bestenfalls emotionale Beziehung zum Unternehmen.
Auch in Sachen Karrieremöglichkeiten sind Influencer gute Informationsquellen. Sie können ambitionierten Fachkräften über interne Aufstiegschancen, Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten berichten und gegebenenfalls auf den eigenen Karriereweg verweisen.
Ein weiterer positiver Effekt: Durch ihr Beispiel fördern Corporate Influencer das Mitarbeiterengagement, indem sie ihr Publikum über interne Veranstaltungen, Teamaktivitäten und Erfolge auf dem Laufenden halten. Dadurch wird das Unternehmen sowohl intern als auch extern als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen, der sich um das Wohlbefinden und die Zufriedenheit seiner Mitarbeitenden kümmert. Das sind alles Attribute, die von der jungen Arbeitsgeneration zunehmend eingefordert werden.
Schließlich sind Corporate Influencer oft kommunikationsstark und haben nicht selten ein gutes Netzwerk, das sie nutzen können, um potenzielle Bewerberinnen und Bewerber anzusprechen. Zum Beispiel können sie via Social-Media-Kanäle, auf Branchenveranstaltungen und über persönliche Kontakte potenzielle Talente ausmachen und im Namen ihres Unternehmens anwerben.
■ Besonderheiten für die Pharma
Die genannten Gründe zeigen, dass sich Pharmaunternehmen mit Corporate Influencern beschäftigen sollten. Besonders wenn es um die Vermittlung von Glaubwürdigkeit und das Schaffen von Vertrauen geht, können diese besonders hilfreich sein. Beispielsweise dann, wenn sie über die Qualität und Sicherheit der Produkte des Unternehmens sprechen oder über ethische Standards und die soziale Verantwortung einer Firma informieren. Da der Pharmabereich bestimmten regulatorischen Vorschriften und Richtlinien unterliegt, gilt es diese, insbesondere in Bezug auf die Offenlegung von Informationen und die Einhaltung von Werberichtlinien, zu beachten.
Bisher ist der Einsatz von Corporate Influencern im deutschsprachigen Raum noch in den Kinderschuhen, doch erste Schritte werden gemacht. So plant Sanofi in Kürze den Start eines Influencer-Programms. Über die Netzwerke der Corporate Influencer sollen Geschichten über die Werte, die Kultur und die Mitarbeiterangebote des Unternehmens verbreitet werden. Der Ansatz ist richtig, denn Themen wie Diversität, Work-Life-Balance oder Nachhaltigkeit lassen sich gut über das Storytelling vermitteln, weil der Fokus auf Emotionen liegt. So kann sich die Zielgruppe mit den Werten des Unternehmens identifizieren.
Etwas weiter als nur bei der Planung ist das Pharmaunternehmen Schwabe. Der österreichische Standort Schwabe Austria hatte 2020 ein Pilotprojekt gestartet, das sich auf die Plattform LinkedIn fokussiert. Im Rahmen von Workshops und Einzel-Coachings wurden fünf Führungspersonen sowie Mitarbeitende dazu ermutigt, als Corporate Influencer ihr Fachwissen in den jeweiligen Kompetenzbereichen nach außen sichtbar zu machen. „Menschen vertrauen Menschen. Daher zeigen wir Gesichter, statt nur als Marke zu interagieren“, heißt es in der zu dem Pilotprojekt publizierten Case Study. Die Erfahrungen waren so positiv, dass es seit 2022 mit noch mehr Personen aus dem Unternehmen weitergeht.
Der Fachkräftemangel spitzt sich zu, darum müssen Pharmafirmen kreativ werden, wenn sie Fachkräfte auf sich aufmerksam machen wollen. Der Einsatz von Corporate Influencern könnte für die Branche zu einem tragenden Baustein des Employer Brandings werden, denn Mitarbeiterempfehlungen haben im Recruiting nach wie vor einen hohen Stellenwert. Wichtig ist, Mitarbeitende zu finden, die Lust haben, sich einzubringen, klare Botschaften zu formulieren, die mögliche Bewerbende ansprechen und eine Umsetzung, die echte Einblicke in das jeweilige Unternehmen gewähren.