Herr Sons, welche Vision hatten Sie, als Sie das Unternehmen Cansativa 2017 gemeinsam mit Ihrem Bruder Jakob gründeten?
Unser Claim lautet „We enable Cannabis“. Wir wollen den Zugang zu Cannabis ermöglichen und das sicher, verantwortungsbewusst und in guter Qualität. Um das zu erreichen, haben wir in Deutschland einen One Stop Shop für Apotheken aufgebaut. Apotheken können aktuell 400 lieferbare Medizinalcannabis-Produkte über uns beziehen. Zusätzlich haben wir mit unseren Eigenmarken Produkte geschaffen, die entweder eine besondes hohe Qualität haben oder die preislich sehr attraktiv sind. Seit der Legalisierung von Medizinalcannabis im März 2017 ist der Markt rapide gewachsen – von etwa 1,7 Tonnen auf knapp 11 Tonnen im letzten Jahr. Es gibt mittlerweile sehr viele Anbieter und sehr viele unterschiedliche Produkte, und da verstehen wir uns als Aggregator im Markt, über den man Informationen, aber eben auch ganz einfach Zugang zu den Produkten bekommen kann.
Die Bundesregierung plant, den Konsum von Cannabis zu Genusszwecken Anfang 2024 zu liberalisieren. Wäre das auch ein interessanter Markt für Sie?
Unsere Heimat ist der Bereich des Medizinalcannabis. Hinzu kommt: Der Gesetzentwurf für den nicht-medizinischen Cannabiskonsum sieht vor, dass ein privater und gemeinschaftlicher Eigenanbau ermöglicht wird, und zwar ausschließlich zu nicht-kommerziellen Zwecken. Das schließt ein unternehmerisches Engagement aus. Für uns ist an dem Gesetzentwurf vor allem bedeutsam, dass Medizinalcannabis nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft wird. Auf diese Weise würde das Thema weiter enttabuisiert und entstigmatisiert. Mehr Ärzte und Patienten würden dadurch ihre Sorgen und Ängste ablegen und sich dieser Therapieform öffnen, wodurch der Markt weiter wachsen könnte.
Würde es auch Ihre Geschäftsbeziehungen zu den Apotheken erleichtern, wenn der Status des Betäubungsmittels fällt?
Im Moment sieht der Gesetzentwurf vor, dass wesentliche administrative Anforderungen weiterhin gelten sollen. Das heißt, wir erwarten dadurch keine großen Effizienzgewinne. Was einfacher würde, ist die Verschreibungspraxis. Im Moment geht das nur über ein Betäubungsmittelrezept mit all seinen Anforderungen. Wird das vereinfacht, würde das sicherlich dazu führen, dass die Ärzte Cannabis häufiger verordnen.
Ihre Hauptzielgruppe sind aber die Apotheken?
Grundsätzlich sind für uns drei Gruppen relevant – Apotheker, Ärzte und Patienten. Für uns hat dabei die Apothekerschaft eine zentrale Rolle, denn sie bildet die Schnittstelle zu den Patienten und investiert viel Zeit in den Austausch mit ihnen und die Beratung. Die Patienten selbst dürfen wir wegen der Limitationen durch das Betäubungsmittelgesetz nicht adressieren. Neben dem Vertrieb unserer Produkte sehen wir unsere Aufgabe deshalb auch darin, die Fachzielgruppen über Medizinalcannabis zu informieren und aufzuklären.
Stehen Apotheker dem Thema Medizinalcannabis aufgeschlossener gegenüber als Ärzte?
Medizinalcannabis ist kein fester Bestandteil der Schulmedizin. Das heißt, für viele Ärzte ist das erst einmal etwas Neues. Wenn man dann zusätzlich dem Fakt ausgesetzt ist, dass man ein Betäubungsmittel verschreibt, dann möchte man natürlich genau wissen, was das für ein Produkt ist. Hinzu kommt, dass es ein Markt mit sehr vielen Rezeptur-, aber wenig Fertigarzneimitteln ist. Es gibt daher wenig klinische Studien. Daher hatte Medizinalcannabis bei den Ärzten in der Vergangenheit einen schweren Stand, das ist aber deutlich besser geworden.
Sie sagten eben, dass Cansativa auch Eigenmarken anbietet. Wie groß ist das Markenbewusstsein in diesem Markt?
Das, was auf dem Rezept steht, muss auch durch die Apotheke bedient werden. Wenn also ein Produkt unserer Marke „Amici“ verschrieben wurde, muss die Apotheke genau dieses beschaffen. Ein Austausch ist nicht möglich. Das bedeutet, wenn sich ein Produkt, ein Markenname durchgesetzt hat und bei den Ärzten, Apothekern und Patienten bekannt ist, dann sorgt das schon dafür, dass auch wiederkehrende Verschreibungen eintreten, weil mit der Marke beispielsweise eine hohe Qualität assoziiert wird.
Sie gehen also von einem zunehmenden Markenbewusstsein aus?
Nach der Zulassung von Medizinalcannabis war zunächst die Nachfrage größer als das Angebot. Wer ein Produkt hatte, konnte das auch verkaufen. Nun gibt es mehr Anbieter und eine größere Produktvielfalt. Es reicht nicht mehr, einfach nur ein Produkt zu haben, sondern man muss ein passgenaues Angebot haben, das sich über den Preis und/oder die Qualität differenziert. Zuverlässig gute Qualität zu liefern, sorgt für eine Credibility, die schon jetzt sehr wertgeschätzt wird. Aus diesem Grund sind wir für unserer Produktangebot neben den Eigenmarken, für die wir selbst mit unserem Namen stehen, immer auch an verlässlichen Partnern interessiert. Ganz aktuell haben wir eine Kooperation mit dem kanadischen Cannabisunternehmen Cronos gemeldet, dessen Marke „Peace Naturals“ ab sofort über uns wieder im deutschen Markt lieferbar sein wird. Diese Marke war von 2018 bis 2020 bereits verfügbar und in dem Zeitraum stark nachgefragt. Diese Erfolgsgeschichte möchten wir fortsetzen. Mit einer Herausnahme aus dem Betäubungsmittelgesetz würden Markennamen künftig sicherlich noch weiter an Bedeutung gewinnen.
Muss es in der Kommunikation mit den Fachkreisen stärker um die Aufklärung über den medizinischen Nutzen von Cannabis gehen oder muss eher um den Abbau von Vorbehalten gegenüber der „Droge“ Cannabis gehen?
Ich denke, es muss eine Kombination aus beidem sein. Die limitierte wissenschaftliche Evidenz hatte ich bereits erwähnt. An dieser Stelle müssen wir als Branche dafür sorgen, dass der therapeutische Nutzen noch besser herausgearbeitet und mit Studien belegt wird. Gleichzeitig ist es aber auch ein Image-Thema: Die Tatsache, dass Cannabis noch immer stigmatisiert und tabuisiert wird, ist ein Grund dafür, warum relativ wenige Ärzte Medizinalcannabis verschreiben.
Sie sagten, Ihre Hauptzielgruppe seien die Apotheker. Wie kommunizieren sie mit ihnen?
Wir setzen vor allem auf Information. Wir haben ein Fachportal mit Weiterbildungsmöglichkeiten, und wir haben einen Apotheken-Außendienst. Wir bieten auch Schulungen für Einzelapotheken an, denn häufig ist es so, dass es in einer Apotheke eine Person gibt, die sich dem Thema bereits sehr stark gewidmet hat. Wenn dieser Bereich dann wächst, geht es darum, das Wissen auch an das Team weiterzugeben. Als Cansativa haben wir zudem auch ein System von Partnerapotheken aufgebaut. Das sind mittlerweile mehr als 50, die eine Art Gütesiegel von uns haben. Es sind Apotheken, die besonders viel Erfahrung im Umgang mit Medizinalcannabis haben und deren Personal besonders gut geschult ist. Über das Partnerprogramm haben wir auch verschiedene Verfügbarkeits-Anzeigemöglichkeiten für die Patienten dieser Apotheken entwickelt und ausgerollt. Diese Partnerschaften sind etwas, das uns sehr am Herzen liegt, um das Thema Medizinalcannabis weiter voranzutreiben.