Inzwischen haben sich verschiedene Arten von Plattformen etabliert: So sammeln beispielsweise Forschungsplattformen Gesundheitsdaten für wissenschaftliche Zwecke, während Telemedizinplattformen Ärztinnen und Ärzte digital mit Patientinnen und Patienten vernetzen. Plattformen für die Softwareentwicklung unterstützen die Entwicklung von medizinischen Softwareprodukten, und spezielle Plattformen im pharmazeutischen Bereich erleichtern das Management klinischer Studien. Darüber hinaus gibt es noch sogenannte „horizontale“, regulierte Technologieplattformen, die Daten für die Gesundheitsversorgung und App-Entwicklung nutzen.
■ Gegen die fragmentierte Gesundheitslandschaft
Der Nutzen all dieser Plattformen liegt auf der Hand: Sie führen Informationen zusammen, die sonst in der fragmentierten Landschaft des Gesundheitssystems verloren gehen könnten. In der Folge verbessert das die Effizienz, Transparenz und Kosteneffektivität der medizinischen Versorgung. In Deutschland existieren bereits digitale Dienste, etwa Online-Terminvereinbarungen wie sie Doctolib anbietet und Plattformen zur Überwachung chronischer Erkrankungen. Zudem findet Cloud Computing immer mehr Anwendung, wodurch Ärztinnen, Ärzte und Krankenhäuser ihre Daten sicher speichern und verarbeiten können.
Auch in Deutschland gibt es Plattform-Anbieter. Die Gesundheits-App DoctorBox ist mit mehr als 1 Million registrierten Nutzenden eine der größten unabhängigen Gesundheitsplattformen in Deutschland. Das DoctorBox-Gesundheitskonto zentralisiert wichtige Gesundheitsdaten. Außerdem bietet die App verschiedene diagnostische, pharmazeutische und ärztliche Dienstleistungen an. Dabei können die Nutzenden wählen, ob sie ihre Daten lokal auf dem eigenen Smartphone oder auf den in Deutschland lokalisierten Servern des Unternehmens speichern wollen.
Ein anderes Beispiel ist gesund.de. Das Unternehmen wurde Anfang 2021 mit Sitz in München gegründet. gesund.de ist als App und auch im Web verfügbar und fungiert als digitaler Partner, der lokale Gesundheitsversorger mit Patientinnen und Patienten verbindet. Die gesund.de App- und Webfeatures sollen helfen, die medizinische Versorgung in der Stadt und auf dem Land zu verbessern. Dabei reichen die Services von dem Übermitteln der Rezepte an lokale Versorgerüber die Bestellung der Medikation bis zum Finden der nächstgelegenen Apotheken, Sanitätshäuser und Arztpraxen. Ein Medikationsplan, erweitert zudem das Angebot. Mit der Zeit soll gesund.de zu einem Gesundheits-Ökosystem ausgebaut werden.
Anfang Juni meldete gesund.de den millionsten Download der gesund.de-App. Seit dem Launch 2021 sei die App damit im Schnitt knapp tausendmal pro Tag heruntergeladen worden. Für die zweite Jahreshälfte 2024 ist geplant, die Zahl der täglichen Downloads zu vervielfachen. Hierfür wird in weitere App-Features sowie in eine breit angelegte und öffentlichkeitswirksame Marketing-Kampagne investiert. „Seit der Gründung von gesund.de haben wir konsequent auf die gesund.de-App als wichtigstes Produkt und Herzstück unserer Vision gesetzt“, sagt Maximilian Achenbach, Geschäftsführer von gesund.de. „Wir sind sehr stolz darauf, dass wir infolge unserer ‚mobile first‘-Strategie bereits über eine Million Menschen in Deutschland davon überzeugen konnten, unsere App auf ihr Smartphone zu laden.“ Nach Angaben des Unternehmens ist beispielsweise auch schon jede dritte Apotheke in Deutschland bereits an gesund.de angeschlossen.
■ Lokale Versorgung profitiert von Plattformenegen
DoctorBox und gesund.de und zeigen, wie solche Plattformen die lokale Gesundheitsversorgung digitalisieren und medizinische Dienstleistungen zentralisieren können. Trotz des Potenzials führt die Vielzahl der Plattformen jedoch zu einer Zersplitterung der Versorgung, mit der künftigen Herausforderung, eine übergreifende, alle verbindende Lösung zu finden.
Und hier kommen andere, große Player ins Spiel. Internationale Großkonzerne wie Amazon setzen bereits auf eine umfassende Plattformstrategie, ähnlich wie im Einzelhandel und Finanzsektor. In den letzen Jahren hat Amazon Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich übernommen. Mit Amazon Pharmacy steht der Konzern auch für Deutschland in den Startlöchern, um den Online-Medikamentenversand zu übernehmen.
Zusammengefasst stellen digitale Gesundheitsplattformen eine vielversprechende Geschäftsmöglichkeit dar, insbesondere für Pharmaunternehmen, die von den generierten Daten profitieren möchten. Die Plattformen sind nicht nur ein Trend, sondern ein fundamentaler Wandel in der Art und Weise, wie Gesundheitsdienste angeboten und genutzt werden. Ihre Entwicklung und Verbreitung wird die Landschaft der medizinischen Versorgung nachhaltig verändern.
Interview mit Dr. Peter Schreiner, CEO gesund.de
Herr Dr. Schreiner, gesund.de entwickelt sich immer mehr in Richtung umfassende Gesundheitsplattform. Warum ist das ein zukunftsträchtiges Modell?
Dr. Peter Schreiner: Die Menschen werden entscheiden, welche Lösungen sie nutzen, und damit auch, welche Lösungen sich durchsetzen. Deshalb macht ein umfassender Ansatz Sinn, der entlang der Patient Journey aufgebaut ist und damit die besten Mehrwerte bietet und Probleme der Nutzer:innen löst. Konkret an einem Beispiel: Ein Patient sucht einen passenden Arzt oder Ärztin, möchte dort dann einen Termin vereinbaren und erhält schließlich ein Rezept. Er findet in unserer App passende Fachärzt:innen und Ärzt:innen in seiner Nähe und kann dort digital einen Termin vereinbaren. Das Rezept kann er über gesund.de dann direkt weiter an eine Apotheke in seiner Nähe schicken und erhält dann sein Medikament innerhalb weniger Stunden sogar nach Hause geliefert. An die regelmäßige Einnahme wird er per Push Notifications erinnert. Wir erleichtern ihm den Alltag, indem wir das Beste aus beiden Welten – den lokalen Versorger und eine digitale Lösung – verbinden.
Welche Rolle können Pharmaunternehmen in Ihrem Modell übernehmen?
Dr. Peter Schreiner: Wir sind im Austausch mit den pharmazeutischen Herstellern und haben bereits viele Kooperationen geschlossen, aktuell vor allem im Bereich der OTC- und Freiwahl-Produkte. Aber auch Hersteller verschreibungspflichtiger Arzneimittel suchen in letzter Zeit häufiger den Kontakt zu uns. In den Gesprächen stellen wir immer wieder fest, dass auch die Hersteller die lokale Versorgung stärken wollen. Sie unterstützen daher den Ansatz von gesund.de, die Patient:innen in Deutschland digital mit ihrem Leistungserbringer vor Ort zu vernetzen.
Generell sollten sich Pharmafirmen in das Business Modell Gesundheitsplattformen einbringen. Wie könnte das passieren?
Dr. Peter Schreiner: Hier gibt es verschiedene Felder: Beispielsweise durch strukturierte Daten– zum Beispiel bei Produktinformationen, die es Patient:innen ermöglichen, das passende Produkt zu finden und eine zutreffende Beschreibung zu erhalten. Bei OTC-Produkten arbeiten wir auch bei abverkaufsfördernden Maßnahmen mit Industriepartnern zusammen. Wir haben ein komplett digitales Gutscheinsystem implementiert, das es den Nutzer:innen ermöglicht, Gutscheincodes einzulösen und bei der Apotheke somit das Produkt zu einem reduzierten Preis zu erhalten. Auch das ist vollständig in die Warenwirtschaften integriert und die Abrechnung mit der Apotheke erfolgt automatisiert. Dies nutzen Hersteller gerne, da sie zentrale Angebote machen können, die Endverbraucher:innen schnell und einfach nutzen können und auch für die Apothekenteams kein zusätzlicher Aufwand wie das Sammeln von Papiercoupons und eine umständliche Abrechnung entsteht.