Der Schwerpunkt der Biosimilar-Kommunikation hat sich nach Erfahrung von Dr. Christian Bruer (21up) seit deren erster Markteinführung völlig verändert. Zu Beginn bestand „unmet communication need“ in einer intensiven Aufklärung, wie Biosimilars hergestellt und zugelassen werden. Darüber hinaus musste laut Bruer erklärt werden, dass es eben keine Generika seien. „Mit viel Aufwand musste ein erstes Verständnis für und Wissen über Biosimilars aufgebaut werden“, berichtet Bruer weiter. Mittlerweile sei das Konzept „Biosimilar“ von HCPs durchaus gelernt, zumindest in Indikationen, in denen es sie schon länger gibt. Heutzutage gehe es vielmehr darum, „sich in einem meist kompetitiven Marktumfeld kommunikativ durchzusetzen, und dazu bedarf es eines kontinuierlich hohen Kommunikationsdrucks, der eine professionelle und effektive PR-Strategie benötigt“, weiß Christian Bruer. Gefragt nach einer gewissen Erfolgsformel für die Biosimilar-Kommunikation, nennt Bruer folgende Bausteine: „Erstens frühzeitig USPs definieren und eine Kommunikationsstrategie entwickeln. Zweitens frühzeitig Botschaften platzieren – gegebenenfalls bereits vor Markteinführung – und drittens den Kommunikationsdruck zum und nach der Markteinführung hoch halten.“

Um erfolgreich im Biosimilarmarkt zu kommunizieren, greift Yvonne Preller (Havas Life Berlin) auf eine eigene Formel zurück. „Eine große Portion Wirtschaftlichkeitsbotschaft, drei Esslöffel (Vergleichs-) Evidenz als Basisnote, ein emotionales und merkfähiges Keyvisual zur Abrundung und eine Prise Patientenaufklärungsmaterial, um den ‚unverwechselbaren‘ Service-Geschmack zu erschaffen.“ Und last but not least würde sie zum Servieren noch ein „Made in Europe“ mit anrichten. „Natürlich ist und bleibt der Preis die Kernbotschaft einer Biosimilar-Kampagne“, berichtet Preller. Wichtig sei darüber hinaus „eine klare und evidenzbasierte Kommunikation“, denn Ärztinnen und Ärzte benötigten fundierte Informationen, um die Sicherheit und Wirksamkeit nachvollziehen zu können. Für Ärztinnen und Ärzte seien Studiendaten, die die Vergleichbarkeit zwischen Biosimilar und Originalpräparat belegten, von Relevanz, deshalb müssten sie ebenfalls klar kommuniziert werden. „Nicht nur Vergleichbarkeitsevidenzen im Hinblick auf Wirkung und Nebenwirkung, sondern auch auf Handhabung und Dosierung“, hebt Preller hervor. Ein wichtiger Aspekt, um das Vertrauen in Biosimilars zu stärken, sei die garantierte Versorgungssicherheit. „Praktisch bedeutet das die Offenlegung von Herstellungsprozessen, Lieferketten und Qualitätskontrollen“, so Yvonne Preller. „Da Biosimilars zunehmend in Europa produziert werden, wirkt sich das auch positiv auf die Versorgungssicherheit aus.“ 

Die Bedeutung von Vertrauen im Kommunikationsprozess führt auch David Salinas (Isgro Wissensraum) ins Feld. „Erfolgreiche Kommunikation im Bereich Biosimilars muss heute zwei Dinge gleichzeitig leisten: Vertrauen erhalten – und neue Perspektiven eröffnen.“ Mit Blick auf die Entwicklung der Kommunikation in diesem besonderen Bereich berichtet David Salinas, dass in der Anfangszeit der Fokus darauf lag, die Gleichwertigkeit zum Originalpräparat verständlich und glaubwürdig zu vermitteln. „Dieser Aspekt bleibt bis heute elementar, gerade wenn es um Therapieumstellungen oder das ärztliche Gespräch mit kritisch fragenden Patient:innen geht.“ Gute Kampagnen würden deshalb beides aufgreifen: „Sie bestätigen die wissenschaftliche Grundlage, ohne dabei stehenzubleiben – und machen zugleich verständlich, warum Biosimilars mehr sind als eine günstigere Alternative“, lautet Salinas weiteres Erfolgsrezept. Was zähle, sei nicht nur die Botschaft selbst, sondern ob sie HCPs dabei helfe, Entscheidungen schneller und sicherer zu treffen. „Erfolgreiche Kommunikation zu Biosimilars vermittelt daher nicht nur Wissen, sondern unterstützt auch konkret im Handeln.“

Praxis- und systemrelevante Fragestellungen stehen im Mittelpunkt der Kommunikation

Doch wie hat sich die Kommunikation weiterentwickelt und welche Bedarfe und Fragestellungen hinsichtlich Biosimilars werden aktuell besonders adressiert?

Susann Zietek (PEIX Health Group) sagt, dass aktuell intensiv über die Substitution von Biosimilars diskutiert werde – insbesondere darüber, ob ein automatischer Austausch in der Apotheke, wie bei Generika, zulässig sein sollte. Der Gesetzgeber habe dies für von Ärzten verabreichte Biosimilar-Zubereitungen mit einem klaren Ja entschieden und die automatische Substitution eingeführt. Das stoße auf Widerstand bei verschiedenen Apotheken-, Ärzte- sowie Patienten-Verbänden. Ihre Kollegin Jenny Zhou sieht darin die Gefahr, dass der Preis entscheide, welches Biosimilar abgegeben werde. „Im Rahmen der automatischen Substitution können Krankenkassen durch exklusive Rabattverträge bestimmen, welches Produkt die Patient:innen erhalten“, so Jenny Zhou. Hinzu komme die Sorge, dass sich durch die Exklusivität eine starke Fokussierung auf besonders günstige Anbieter – etwa aus dem asiatischen Raum – entwickle. Zhou befürchtet durch die Entwicklung die Entstehung potenzieller Lieferschwierigkeiten, „die im schlimmsten Fall die Versorgungssicherheit von Patient:innen gefährden“.

 

asset_image

V.l.n.r.: Yvonne Preller (Havas Life Berlin), David Salinas (Isgro Wissensraum), Dr. Christian Bruer (21up), Susann Zietek (PEIX Health Group), Jenny Zhou (PEIX Health Group)

 

Nach Erfahrung von David Salinas sind die Fragen, die Ärzt:innen heute an Biosimilars stellen, deutlich differenzierter als noch vor einigen Jahren. „Während zu Beginn vor allem die klinische Gleichwertigkeit im Mittelpunkt stand – also die Sicherheit, Wirksamkeit und Immunogenität –, sind es heute zunehmend praxis- und systemrelevante Aspekte, die den Ausschlag geben“, konstatiert Salinas. Als zentrales Thema benennt er die Verordnungspraxis unter wirtschaftlichen Vorgaben: „Viele Ärzt:innen stehen unter dem Druck, regionale Verordnungsquoten der Kassenärztlichen Vereinigungen einzuhalten. Sie wollen verstehen, wie Biosimilars sich in diesen Rahmen einfügen lassen, ohne die individuelle Therapiefreiheit zu verlieren oder unnötige Diskussionen mit Patient:innen führen zu müssen.“ In die Kommunikation müssten jedoch noch weitere Aspekte, von Salinas als „konkrete Alltagsfaktoren“ bezeichnet, einfließen: „Welche Präparate sind besser verträglich? Welche lassen sich einfacher lagern? Welche bieten anwenderfreundlichere Applikationshilfen? Ärzt:innen schätzen Informationen, die ihnen nicht nur wirtschaftliche Vorteile zeigen, sondern auch echte Erleichterung im Versorgungsalltag bieten.“

Auch Yvonne Preller zählt als aktuelles Thema bei den Ärzt:innen die Kosteneffizienz von Biosimilars auf – diese seien schon aufgrund der Biosimilarquoten von großem Interesse. „Zudem benötigen Ärzt:innen weiterhin Unterstützung bei der Aufklärung ihrer Patient:innen“, meint Preller. Denn Patienten seien irritiert, wenn es beispielsweise zu einem Switch komme und der Arzt oder die Ärztin die Verordnung vom Original zum Biosimilar umstelle. „Da Ärzt:innen diese Auseinandersetzung mit Patient:innen scheuen, ist es absolut sinnvoll, Aufklärungsmaterialien in die Kampagne zu integrieren, zumindest wenn das Ziel des Pharmaunternehmens nicht nur die Neueinstellung ihres Präparates ist“, gibt Yvonne Preller zu Protokoll.

Welche Herausforderungen gilt es bei der Biosimilar-Kommunikation zu beachten und was macht den Reiz dieses Themenfeldes aus?

„Bei aller Begeisterung für Biosimilars und deren Kommunikation, ist es für uns als Agentur auch immer eine spannende Aufgabe, den ‚angegriffenen‘ Referenzprodukt-Hersteller kommunikativ zu unterstützen“, erläutert Christian Bruer. Er zeigt sich überzeugt, dass man als Agentur beide Seiten kennen und verstehen müsse, um jeweils die bestmögliche Kommunikationsstrategie entwickeln zu können. „Das Szenario ist dann durchaus vergleichbar mit der ‚guten alten‘ Generika-Markteintritt-Abwehr-Strategie des Originators“, lautet das Fazit Bruers.

Für Susann Zietek und Jenny Zhou besteht die kommunikative Herausforderung darin, „ein Produkt zu positionieren, das dem Original in den wesentlichen Merkmalen ähnelt, sich jedoch gleichzeitig klar davon abgrenzen soll. Die Differenzierung müsse daher über ergänzende Mehrwerte erfolgen. Als erschwerend bezeichnen die beiden „die aktuelle Kontroverse um die automatische Substitution, die dazu führen kann, dass Biosimilars von HCPs zunehmend kritisch wahrgenommen werden“.

Erfolgreiche Kommunikation impliziert Informationen zur konkreten Versorgungssituation

Die größte Herausforderung in der Kommunikation von Biosimilars sieht David Salinas nicht mehr in der Erklärung des Prinzips, sondern in der Übersetzung in die konkrete Versorgungssituation. „Die meisten Fachärzt:innen wissen um die Gleichwertigkeit, die regulatorischen Anforderungen und die klinische Evidenz.“ Häufig fehle jedoch die Verbindung zur eigenen Alltagspraxis: „Was bedeutet ein Präparatewechsel für meine Patient:innen? Welche Vorteile bringt ein spezifisches Biosimilar über die Kostenfrage hinaus? Wie kommuniziere ich die Umstellung, ohne Unsicherheit auszulösen?“

Genau an dieser Schnittstelle – zwischen medizinischer Gewissheit und praktischer Anwendung – ist nach Einschätzung von Salinas Kommunikation gefordert. „Sie muss nicht mehr überzeugen, dass Biosimilars funktionieren, sondern zeigen, wie sie konkret helfen: bei der wirtschaftlichen Praxissteuerung, bei der Therapietreue, bei der Patientenzufriedenheit. Und dabei gleichzeitig Rückhalt geben für die ärztliche Entscheidung.“ Auf den Reiz an dieser Aufgabe angesprochen, antwortet David Salinas, dass gerade diese Komplexität das Thema interessant mache. „Denn es geht nicht um klassische Produktkommunikation, sondern um die kommunikative Begleitung eines systemrelevanten Wandels“, resümiert Salinas. Wer hier Klarheit schaffe, schaffe nicht nur Aufmerksamkeit – sondern echte Entlastung. „Und genau das ist in einem überlasteten Gesundheitswesen vielleicht der größte Mehrwert, den Kommunikation leisten kann.“

Trotz der Fortschritte in der Akzeptanz von Biosimilars sieht Yvonne Preller nach wie vor Herausforderungen in der Kommunikation. Denn Biosimilars seien komplexe Produkte – keine exakten Kopien, sondern ähnliche Nachahmerpräparate. „Diese Komplexität erschwert die Kommunikation, da sowohl medizinisches Fachpersonal als auch Patient:innen ein tiefes Verständnis für die Unterschiede und die vergleichbare Wirksamkeit oder zumindest großes Vertrauen entwickeln müssen.“ Darüber hinaus würden sich viele Biosimilars zu ihren Originalprodukten in der Handhabung ihrer Applikationssysteme, wie Spritzen oder Pens, unterscheiden. Dies erfordere zusätzliche Schulungen und eine klare Kommunikation, um Anwendungsfehler zu vermeiden und die Patientensicherheit zu gewährleisten. 

Dennoch ist Yvonne Preller der Ansicht, dass die Kommunikation über Biosimilars die Chance biete, einen positiven Einfluss auf die Patientenversorgung und die Wahrnehmung von Therapien zu nehmen. Durch gezielte Aufklärung könnten Missverständnisse ausgeräumt und ein fundiertes Verständnis für die Wirksamkeit und Sicherheit von Biosimilars geschaffen werden. „Auch wenn es für uns Werber aufgrund der hohen Vergleichbarkeit und Ähnlichkeit zum Originalprodukt immer wieder eine echte Challenge bedeutet, aufmerksamkeitsstarke und differenzierte kreative Konzepte für ein Biosimilar zu entwickeln, sehe ich es nicht nur als Pflicht, sondern auch als Kür unserer Arbeit an, wenn uns das gelingt“, fasst Yvonne Preller den Reiz an dieser besonderen Aufgabe zusammen.