Unter der Moderation von Daniel Schaller, Chief Client Officer bei der good healthcare group, diskutierten Kerstin Hartig (Germany Head of Training & Talent Development bei Bristol Myers Squibb), Christian Béron (Leitung Vertrieb Arzt/Consumer Health bei der Bayer Vital GmbH), Dr. Marc A. Heim (Vice President/General Manager Germany der Leo Pharma GmbH) sowie Kerstin Gentner (BU Head Training & Enablement der good healthcare group) die Frage, wie der Außendienst zukunftssicher aufgestellt werden kann. Zunächst wurde der Blick auf die aktuelle Situation der Außendienstmitarbeiter gerichtet. Marc Heim konstatierte, dass das Toolset der Vertriebsmitarbeiter deutlich komplexer geworden sei im Vergleich zu früher. Er sei kein Freund des Begriffs „Orchestrator“ des Omnichannel, denn es gebe durchaus Algorithmen, die den Außendienstmitarbeitern Informationen vorgeben würden. Es ginge nicht immer darum zu wissen, wie diese zustande kämen, vielmehr müssten sie darauf vertrauen, „dass das, was wir ihnen dort an die Hand geben, dem Kunden zusätzliche Informationen und einen Mehrwert bietet“. In diesem Zusammenhang hob Heim hervor, dass dieses automatisch Unterstützende nur mit einer entsprechend guten Datenqualität funktioniere.
Für Christian Béron ist die veränderte Arbeitswelt des Pharma-Außendienstes ein kontinuierlicher Prozess. Eine große Herausforderung sei dabei, die Akzeptanz der verschiedenen Kanäle und die Multikanal-Ansprache beim Vertrieb zu erreichen. „Nur, wenn der Außendienst weiß, dass er der wichtigste Kanal innerhalb des Kommunikationsmixes ist und im Mittelpunkt dieser Aktivitäten steht, dann wird er andere Kanäle auch gerne einsetzen“, zeigte sich Béron überzeugt. Wichtig sei dabei, die Vertriebsmitarbeiter zu befähigen, neue Dinge auszuprobieren. Die Fähigkeit und der Mut zum Ausprobieren müsse mit einer hohen Fehlerkultur im Unternehmen flankiert werden, in der Fehler und Erfahrungen offen angesprochen werden könnten. „Wir probieren vieles aus“, erklärte Béron und plädierte für das Prinzip des Trial & Error. Das sei jedoch ein langer Weg und die Prozesse keineswegs trivial. Um die Power der Kommunikation letztlich auf die Straße zu bringen, müssten innerhalb der Organisation „alle an einem Strang ziehen“.
■ Zwei Megatrends: Digitalisierung und demografischer Wandel
Zwei Megatrends beherrschen laut Kerstin Hartig branchenübergreifend die Arbeitswelten insgesamt und somit auch den Pharma-Außendienst: Die Digitalisierung sowie der demografische Wandel. Digitalisierung im Pharma-Außendienst bedeute die Erweiterung der traditionellen Face-to-Face-Kontakte um weitere digitale Kontakte und Kanäle – wie Marc Heim auch schon sehr gut beschrieben habe. Aber auch der demografische Wandel habe enormen Einfluss auf die Arbeit des Vertriebs. Die Baby-Boomer-Generation gehe so langsam in Rente. Jeder kenne noch Arztpraxen, die nur per Fax erreichbar seien, so Kerstin Hartig. Inzwischen käme eine Generation von jungen Ärztinnen und Ärzten in die Praxen und Kliniken, „die eine ganz andere Erwartungshaltung an die Außendienstmitarbeiter haben“. Zum veränderten Anspruch dieser jüngeren Generationen gehöre zum Beispiel, wie und wann sie die Informationen bekämen. „Dieser neuen Erwartungshaltung der jüngeren Generation müssen wir gerecht werden“, sagte Kerstin Hartig.
■ Veränderungen erkennen und anerkennen
Auf die Frage von Daniel Schaller, vor welchen Herausforderungen die Vertriebsmitarbeiter mit Blick auf die zahlreichen Veränderungen stehen, erklärte Kerstin Hartig: „Das Wichtigste ist, das zu erkennen und anzuerkennen.“ Diese Akzeptanz der veränderten Ansprüche und Erwartungshaltung der Kunden betreffen jedoch nicht nur die Außendienstmitarbeiter, sondern die gesamte Organisation. Die Ärztinnen und Ärzte wollten nicht nur über die für sie passenden Kommunikationskanäle angesprochen werden, auch die Kommunikationsinhalte müssten – soweit wie möglich – an die individualisierten Bedürfnisse der Kunden angepasst werden, konstatierte Kerstin Hartig: „Wir müssen weggehen von dem Gießkannenprinzip an Informationen zum Produkt hin zu einem individualisierten Gespräch.“ Die Technologie sei dann nur ein „Helferlein“. Auch Marc Heim sieht die Veränderungen als eine „ständige Evolutionskurve“. Er nahm den Gedanken von Kerstin Hartig nochmals auf, dass das Trainieren und Enabling des Außendienstes nur ein Aspekt der Veränderung sei. Das Mindset der Veränderung beziehe sich auf die ganze Organisation. „Der Wandel muss auch erst intern in den Supportfunktionen stattfinden, bevor es den Außendienst erreichen kann.“ Dazu zähle auch eine schnellere Bereitstellung von relevanten Informationen und neuen Erkenntnissen.
Was die Unterstützung des Außendienstes in Zeiten des Wandels betrifft, nannte Kerstin Gentner einen weiteren Baustein: „Es gilt den Außendienst auch darin zu bestärken, dass die Kommunikation auf diesen unterschiedlichen Kanälen anders funktioniert als beim klassischen Face-to-Face-Kontakt.“ Die Gespräche auf den verschiedenen Kanälen müssten anders geplant und dann auch umgesetzt werden. „Und dafür brauchen die Vertriebsmitarbeiter gezielte Unterstützung“, berichtete Kerstin Gentner.
Diese Erfahrung teilt auch Kerstin Hartig. Es bestehe offensichtlicher Bedarf bei der Unterstützung zur Bedienung der unterschiedlichen Tools. Doch neben der Beherrschung der Technik müssten auch das Skill- und das Mindset verändert werden. Die Bereitschaft zu Veränderungen habe mit Haltung und der eigenen Einstellung zu tun. Einig zeigte sich Kerstin Hartig mit der von Christian Béron bereits genannten Herangehensweise des Probierens. „Dinge einfach mal ausprobieren und dadurch Erfahrung sammeln“, so Kerstin Hartig. Auch dadurch könnten sich Einstellungen ändern – gerade mit Blick auf die Digitalisierung.
■ ChatGPT (noch) nicht reif für die Außendienst-Unterstützung
In der Diskussionsrunde kam schließlich auch die Frage nach dem Nutzen des derzeit vielzitierten ChatGPT für den Pharma-Außendienst auf. „Es wird noch Zeit brauchen, bis diese Technologie uns guten Nutzen liefert“, meinte Kerstin Hartig. Dem stimmte auch Marc Heim zu: „Wir sind sicherlich noch ein ganzes Stück davon entfernt, dass uns diese KI wirklich serviceorientierte und qualitativ hochwertige Informationen vermitteln kann.“
Den Blick auf die Fitmachung des Außendienstes gerichtet, zeigten sich die vier Diskussionsteilnehmer einig: Es gelte, neugierig und offen zu sein und genau zuzuhören, was die Kunden bewege und was sie brauchen. Den Außendienst zukunftssicher zu machen, bedeutet nach Auffassung von Marc Heim, die gesamte Organisation zukunftssicher zu machen. In der Schlussrunde griff Kerstin Hartig den Titel der Veranstaltung nochmals auf, um eine Vision zu eröffnen: „Nicht wir machen ihn zukunftssicher, sondern er sich selbst.“