„Die Healthcare-Kommunikation wird immer komplexer“, erklärt Christoph Witte (Pink Carrots). Deshalb brauche es neben fachlichen auch menschliche Skills, um die neuen Aufgaben und Anforderungen zu erfüllen. Das Erfolgsrezept setzt sich nach Christoph Wittes Erfahrung folgendermaßen zusammen: „Eine ausgewogene Kombination aus Kompetenz im Sinne von spezifischen Marktkenntnissen und Kommunikations-Expertise plus empathischer, starker Beratungs-Persönlichkeit sind die Voraussetzung, um erfolgreich zu agieren.“ 
Frank Tinnefeld (Brandpepper) betont, dass Healthcare-Know-how zwar gut sei, aber selten reiche. Für ihn ist „Problemlösungskompetenz“ ein wichtiger Attraktivitätsfaktor – umso mehr, je komplexer die Anforderungen seien. Darüber hinaus gewinne gerade das Thema Sustainability nicht nur an Bedeutung, sondern sei immer häufiger Entscheidungsfaktor für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Tinnefeld: „Ob Ecovadis, CDP oder SBTi, wer Nachhaltigkeit zum eigenen Ziel macht, wird weiterhin vorne mitspielen. Das gilt für Agentur und Kunde gleichermaßen.“

Kompetenz-Radius als Erfolgstreiber

„Grundsätzlich müssen Healthcare-Agenturen mehr als den ‚Markt‘ kennen, sie müssen das gesamte Spektrum des Gesundheitswesens verstehen“, zeigt sich Ursula Schmitz überzeugt. „Gerade Rx-Angebote unterliegen ihren eigenen Spielregeln und Gesetzen.“ Das führe dazu, dass alle Healthcare-Agenturen neben den üblichen Marketing-Skills wie Strategie, Campaigning, Positioning, Kreativgeschick und multimedialem Know-how auch tiefes wissenschaftliches Verständnis, Wissen um rechtliche Rahmen und Einfühlungsvermögen in die Bedürfnisse der Zielgruppen bräuchten, führt Ursula Schmitz weiter aus. Die wirkliche Stärke einer Healthcare-Agentur bemisst sich aus ihrer Sicht jedoch nicht nach ihren Skills, „sondern nach ihrem Kompetenz-Radius“, so die Inhaberin und Geschäftsführerin von Selinka/Schmitz. Dieser Radius zeige sich bei der Bewertung differenzierter Aufgabenstellungen – zum Beispiel wo ein Produkt im Lebenszyklus einer Therapie steht sowie in der Bewertung des Gesamtmarktes und der dazugehörigen Kategorie wie auch der adäquaten Preisbildungsgesetzmäßigkeiten sowie Marktzugangsstrategien.

Christian Necker (Schmittgall Health) bringt noch einen weiteren Aspekt in die Debatte ein, und zwar welche Skills Healthcare-Agenturen heutzutage benötigen, um in die Augen der Kunden attraktiv zu sein: „Der wichtigste Skill aus unserer Sicht ist Anpassungs- und Innovationsfähigkeit. Jedes Projekt ist einzigartig. Die Bedürfnisse unserer Kunden unterscheiden sich teils erheblich“, so Necker. Er zieht daraus die Schlussfolgerung, dass Agenturen in der Lage sein müssen, sich diesen Herausforderungen flexibel zu stellen und maßgeschneiderte, innovative Lösungen zu entwickeln. Der Erfolgsschlüssel ist nach Aussage Neckers ein Setup, „das die enge Zusammenarbeit zwischen strategischer Beratung, Kreation, medizinischer Expertise und digitaler Transformation fördert“. Und nicht zuletzt sei es wichtig, „die eigene Expertise zu kennen und zu wissen, wo sie endet“. Wie alle befragten Experten spricht auch Christian Necker davon, dass die Anforderungen immer komplexer würden. Die Folge: „Keiner kann heute ernsthaft behaupten, alle Disziplinen alleine abdecken zu können.“ 

 

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Ursula Schmitz (Selinka/Schmitz), Frank Tinnefeld (Brandpepper), Christian necker (Schmittgall Health), Christoph Witte (Pink Carrots) (v.l.n.r.)

 

Doch wie findet sich in der heutigen Arbeitswelt zusammen, was zusammenpasst? Frank Tinnefeld spricht von einer „schönen Vorstellung, aber häufig ist nicht klar, was denn zusammenpassen soll“. Um das herauszufinden, bieten sich seiner Erfahrung nach Engagement-Workshops an. „Haben Agentur und Kunden eine, sich ergänzende Vorstellung zum Projektumfang, den crossfunktionalen Herausforderungen, den erforderlichen Leistungen und last not least der Zusammenarbeit an sich?“, so Tinnefeld. Auch Management Solution Workshops könnten dabei helfen zu finden, was fehle.

Ursula Schmitz ist bekennder Fan von Pitches: „In dieser Wettbewerbssituation können wir unseren gesamten Kompetenz-Radius ausspielen und die für uns beste Idee, Strategie oder Herangehensweise aufzeigen.“ In ihren weiteren Ausführungen betont sie gleichzeitig die Nachteile von Pitches, die nur Moment-aufnahmen widerspiegelten. „Um das wahre Können einer Agentur also wirklich beurteilen zu können, sind daher sogenannte Pilotprojekte – nach einem Beschnuppern oder neudeutsch Chemistry Meeting – die beste Wahl, um eine Agentur auszuwählen. Denn so zeigt sich der Kompetenz-Radius einer Agentur und welche Handlungsfreiheit der Kunde der Agentur am Ende gewährt“, empfiehlt Ursula Schmitz. 

Wie schafft man als Agentur Aufmerksamkeit und Awareness im Wettbewerbsumfeld?

Laut Christoph Witte erreicht eine Agentur Bekanntheit im Markt über eine gewisse Präsenz. „Sei es bei Awards, in Jurys, über PR, Events oder Thought Leadership. Wichtig ist, dass man Themen für sich claimt, für die man brennt und die die eigene Haltung widerspiegeln“, so Witte. Er gibt aber auch zu bedenken, dass man dabei „nicht zu pushy“, also nicht zu aufdringlich sein sollte. „Die Hälfte der Awareness für eine Agentur kommt vom ‚Eigen-Marketing‘ und die andere Hälfte über sorgsame und wohl dosierte Beziehungspflege und -management.“

Für Christian Necker ist die Antwort auf diese Frage relativ simpel: „Der Schlüssel zu allem: gute Arbeit.“ Nachhaltige, langfristige Erfolge sprächen letztlich für sich. „Zufriedene Kunden, die uns innerhalb ihrer Unternehmen weiterempfehlen, oder langjährige Business-Kontakte, die sich aufgrund vergangener Erfolge wieder bei uns melden – das ist der beste Weg, Aufmerksamkeit zu erregen.“ Natürlich spielten auch Auszeichnungen bei Kreativ-Awards und eine authentische Content- beziehungsweise PR-Strategie eine wichtige Rolle, „aber für uns bleibt der direkte Erfolg beim Kunden das stärkste Argument“, fasst Christian Necker zusammen.

Wir baten die Experten auch um eine Prognose bezüglich der weiteren Entwicklung in der Zusammenarbeit zwischen Agentur und Kunde. Wie wird sich das Verhältnis zukünftig wandeln? Nach Aussage von Frank Tinnefeld wird es immer sehr umsetzungsorientierte Projekte geben und Kunden, die „nur“ einen Dienstleister suchten. „Das mag in manchen Fällen richtig sein, läuft aber häufig auf einen Preiswettbewerb hinaus“, so Tinnefeld. Er nimmt wahr, dass es für Mittelstand und Big Pharma aber immer häufiger um ganzheitliche, gesellschaftliche Fragestellungen gehe. „Insofern wird sich auch die Rolle der Agenturen ändern. Einen Themenmix von der Pille über die Kommerzialisierung bis hin zu Diversität und Nachhaltigkeit. Da braucht es echte Partnerschaft mit Beratungsqualität und Dienstleistungsmentalität.“ Kurz zusammengefasst lautet Frank Tinnefelds denn auch: „Alles bleibt besser.“

Für Ursula Schmitz ist es „keine leichte Frage“, denn schließlich hänge es davon ab, was der Kunde brauche beziehungsweise wünsche. „Der Glücksfall ist immer, wenn der Kompetenz-Radius einer Agentur mit der vom Kunden gewährten Handlungsfreiheit auch matcht.“

„Für uns zeigt sich aber klar, dass die Zeiten, in denen wir rein als ausführende Kraft gesehen wurden, vorbei sind“, beschreibt 
Christian Necker das Verhältnis zwischen Kunde und Agentur. Zunehmend werde man bei den Kunden als strategische Berater eingebunden, „die nicht nur operative Aufgaben übernehmen, sondern auch bei der langfristigen Planung und Ausrichtung unterstützen.“ Dieser Wandel hin zum strategischen Partner erfordere ein tiefes Verständnis für die Ziele und Herausforderungen des Kunden. „Nur durch eine entsprechend enge, transparente und vertrauensvolle Zusammenarbeit können wir diese Rolle als verlängerter Arm der Unternehmensstrategie voll ausfüllen“, erläutert Necker. So entstünden Partnerschaften, die auf gemeinsamer Verantwortung und einer klaren strategischen Ausrichtung basieren.

Was die zukünftige Entwicklung des Verhältnisses betrifft, prognostiziert Christian Necker, dass das Thema „Productizing“ deutlich an Bedeutung gewinnen werde. „Insbesondere durch den zunehmenden Einfluss von Künstlicher Intelligenz müssen Agenturen ihr Leistungsportfolio neu ausrichten und verstärkt auch maßgeschneiderte Produkte entwickeln, die spezifische Kundenbedürfnisse adressieren und bei der Lösung von Herausforderungen aktiv unterstützen.“ Bei Schmittgall Health glaube man „an die Kraft der Kombination aus ‚Artificial Intelligence‘ und ‚Human Intelligence and Brain‘“. Durch dieses native Zusammenspiel eröffneten sich neue und innovative Möglichkeiten, „die die Qualität der Arbeitsergebnisse steigern können und einen langfristigen Mehrwert für Kunden und Agenturen schaffen“, fasst Christian Necker sein Zukunftsszenario zusammen.

Um sich als strategischer Partner nachhaltig zu etablieren, muss sich eine Agentur nach Ansicht von Christoph Witte als „Trusted Advisor“ behaupten. „Kund:innen müssen sich auf ihr Agenturteam verlassen können – von der Konzeption über das KPI-Tracking bis zur Abrechnung. Mit jedem gemeinsam erfolgreich erreichten Meilenstein festigt sich die erfolgreiche Kund:innen-Agentur-Beziehung über viele Jahre.“ Um das erreichen zu können, sei es auch notwendig, dass sich das Agenturteam stets weiterentwickle, Trends und Chancen – auch über den Healthcare-Markt hinaus – im Blick behalte. „Das bedeutet“, so Witte, „das richtige Team mit den richtigen Skills und dem entsprechenden Mindset am Start zu haben und dabei nicht ‚abzuheben‘, sondern auch im Tagesgeschäft immer alles zu geben.“ Perspektivisch werde es sicher zunehmend wichtig, „sich weiter zu spezialisieren und dabei den #oneteam-Gedanken zu behalten“, resümiert Christoph Witte.