Herr Richter, was kann Ihre Lösung, was andere nicht können?
Fangen wir am besten damit an, was One Message nicht ist. One Message ist keine neue App, die der Außendienst oder die Ärztin/der Arzt auf seinem Smartphone zusätzlich installieren muss. Wir vermeiden damit unnötigen Mental Overhead, denn es geht ja um den Inhalt und nicht darum, wie man da hinkommt.
Das klingt schon mal gut.
Wir möchten als Brücke zwischen dem Vertrieb und den Ärzten fungieren und diese verbinden. Und zwar mit einem Kanal, den sie sowieso schon nutzen. In Deutschland ist WhatsApp gang und gäbe. Unsere Lösung ist als Ergänzung zu den bestehenden Systemen gedacht, damit erweitern wir das vorhandene Ökosystem. Der
Außendienst ist auf der gewohnten Oberfläche seines jeweiligen CRM-Systems unterwegs. Dadurch wird ein zusätzlicher Trainings- und Schulungsaufwand von vorneherein reduziert beziehungsweise vermieden.
Was sind die Herausforderungen bei der Nutzung?
Die große Herausforderung ist dabei nicht die Technik, sondern der Inhalt. Wir öffnen einen neuen Kanal, in dem der Außendienst in Kontakt mit den Ärzten treten kann. Wir sind der Ansicht, dass viele Nachrichten, die heute noch als E-Mails verschickt werden, als Instant Messaging einen besseren Nutzen und Mehrwert bringen würden, da sie schneller erfassbar, schneller zu screenen und einen viel persönlicheren Austausch ermöglichen.
Sie sprechen davon, dass Ihre Lösung rechtssicher und somit passend für den Life-Sciences-Bereich mit den hohen Regularien ist. Wie passt das dann mit der Nutzung von WhatsApp zusammen, dessen Mutterkonzern ja nicht unbedingt für die Befolgung höchster Datenschutzkriterien steht?
Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Unseren Datenschützer und unsere IT-Experten hat es tatsächlich sehr viel Hirnschmalz gekostet, um eine datenschutzkonforme Lösung zu konzipieren und auf den Weg zu bringen. Wie gehen wir also vor? Als Software-Unternehmen speichern wir keine personenbezogenen Daten. Alle Informationen, die wir benötigen, um dem gewünschten Empfänger eine Nachricht zu senden, kriegen wir aus dem CRM. Die Information vergessen wir aber auch wieder – das ist ein zentraler Punkt. Man kann Software durchaus so konzipieren, dass sie das nach kurzer Zeit wieder vergisst. Natürlich sind wir auch ausschließlich in Deutschland gehostet. Das heißt, alles, was wir tun, läuft ausschließlich über deutsche Server. Wenn wir nun beim Beispiel WhatsApp bleiben: Die Inhalte werden in Deutschland verschlüsselt und gehen verschlüsselt in die USA.
Was war Ihre Motivation zur Entwicklung?
Die Idee zur Entwicklung einer solchen Lösung entstand bei unseren Mittagstisch-Gesprächen. Als Digitalagentur interessieren wir uns für Customer Journeys aus den unterschiedlichsten Bereichen und unseren eigenen Beobachtungen. Noel Wack, unser Head of Product Management, berichtete von seinen Erfahrungen in Thailand, dass die Leute selbst auf dem Markt mit ihren Smartphones bezahlt haben. Arzttermine etc. werden ganz selbstverständlich über einen Messenger-Dienst vereinbart – das ist allgegenwärtig und vollkommen in den Lebensalltag integriert. Das war letztlich der Auslöser dafür, dass wir eine Instant-Messaging-Lösung für die Kommunikation zwischen Vertrieb und den Healthcare Professionals entwickelt haben.
Sind die Bedürfnisse der Außendienstmitarbeiter bei der Entwicklung mit eingeflossen, um einen größtmöglichen Nutzen zu erreichen?
Wenn wir neue Lösungen entwickeln, suchen wir uns immer einen Kunden, mit dem wir das gemeinsam machen. Wir fangen nicht am Whiteboard an, um fiktive Probleme zu lösen, sondern tauchen direkt in die Herausforderungen des jeweiligen Unternehmens ein und entwickeln Lösungen für bestehende Aufgaben. So sind wir auch bei One Message vorgegangen. Das Pilotprojekt fand Hand in Hand mit einem international agierenden Life-Sciences-Unternehmen statt. Über den gesamten Entwicklungszeitraum haben wir somit direkt Feedback vom Außendienst wie auch von der Konzern-IT bekommen und konnten so adäquat auf die ganzen Rückmeldungen eingehen und im laufenden Prozess Optimierungen umsetzen.
Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen und was wurde Ihnen zurückgespiegelt?
Im letzten Jahr haben wir angefangen, systematisch Interviews mit den Außendienstmitarbeitern in den verschiedenen Ländern zu führen, um zu verstehen, wie One Message genutzt wird. Wie ist die Rezeption bei der Ärztin oder dem Arzt? Spannend ist, dass die befragten Ärzte die Lösung als modern und innovativ bezeichnen. Was den Außendienst angeht, hatten wir uns beim Roll-out ein internes Ziel gesetzt: 50 Prozent des Außendienstes sollen das Tool gerne nutzen. Innerhalb von drei Monaten haben wir eine Zustimmungsrate von 65 Prozent erreicht – und das ohne zusätzliche Trainings- oder Schulungsmaßnahmen. Der Blick auf die harten Fakten zeigt: Wir haben Öffnungsraten von 75 Prozent und Klick-Through-Rates von 36 Prozent.
Der nächste Schritt ist jetzt, Inhalte neu zu denken und noch zielgenauer die richtigen Kanäle für die jeweilige Message zu nutzen. Wir sind überzeugt davon, dass das ein Boost für die Kommunikation und den Austausch zwischen dem Außendienst und den Ärzten wird.
Sie haben es schon angesprochen: Technik ist nur ein Bestandteil. Der Inhalt muss dem neuen Kanal und seinen spezifischen Besonderheiten angepasst werden, um daraus einen Mehrwert zu gewinnen. Geben Sie als Digitalagentur auch Unterstützung, wie der Inhalt aussehen könnte?
Die Ausgangsfrage lautet, nimmt man den neuen Kanal ernst oder ist er einfach nur ein weiteres Tool, das ich halt auch einsetze? Wenn man Instant Messaging ernst nimmt, sollte das Content-Produktionsteam mit besonderen Skills aufgestellt und gebrieft werden. In solchen Fällen hilft unser Customer-Success-Team weiter.
Man muss sich im Klaren darüber sein, dass sich nicht jeder Inhalt für Instant Message eignet. Aber auch nicht jeder Inhalt aus einer Instant Message passt in eine E-Mail – da sollten wir für die weitere strategische Kommunikationsplanung überlegen, wie wir zukünftig damit umgehen. Meine These lautet: E-Mail-Kommunikation hat ihren Bedeutungszenith überschritten.
Die Informationen müssen heutzutage nicht nur relevant, sondern auch zum richtigen Zeitpunkt den Empfänger erreichen.
Eine weitere Stärke unserer Lösung ist, dass die Ärztin oder der Arzt in den Mittelpunkt gestellt wird. Das Ziel ist, den Ärzten Inhalte in vernünftiger Form zum passenden Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen. Es geht hier um Echtzeitinformationen und -kommunikation. Es geht nicht mehr nur um das Konsumieren von bereitgestellten Informationen, sondern der Arzt tritt aktiv in den Dialog mit dem Außendienst oder seinem MSL und fordert Informationen zu einem bestimmten Thema an, das er gerade auf einem Kongress gehört hat und für das er sich interessiert. Das Nutzererlebnis muss für Ärzte im Vordergrund stehen. Die Nutzung soll nicht aufdringlich sein, sondern sich den Bedürfnissen des jeweiligen Nutzers anpassen und sich ganz selbstverständlich in den Praxisalltag integrieren.
Gerade wird das Thema ChatGPT vielfältigst diskutiert. Ist das auch ein relevantes Thema für die Vertriebsarbeit in der näheren Zukunft?
Ganz klar: Jein! Als Software-Entwickler interessiert uns in erster Linie, welches Sprachmodell dahintersteckt, also wie diese Künstliche Intelligenz trainiert wurde. Aber im Bereich der Healthcare-Kommunikation kann es nicht das Ziel sein, dass wir mit einer KI chatten. Wir setzen ebenfalls auf Chatbot-Systeme für den HCP Self-Service, gehen dabei aber bewusst den klassischen Weg und bleiben beim „Entscheidungsbaum”. Wir können so sicherstellen, dass ausschließlich medizinisch und regulatorisch freigegebene Inhalte verwendet werden.
Um es klar zu sagen: ChatGPT kann Ihnen faktisch falsche Informationen liefern, die sich aber absolut plausibel anhören und sich dann im Laufe des Gesprächs korrigieren – eine großartige Leistung aus technischer Sicht, aber in unserem evidenzbasierten Sektor ein absolutes No-Go.
Wie sehen Ihre Ziele in Bezug auf Wachstum und Weiterentwicklung aus?
Unser Ziel ist, dass zuallererst das Thema Content verstanden wird. Wie also können Inhalte kanal- und usergerecht aufbereitet werden? Denn ohne adäquaten Inhalt bringt die beste Technik keinen Nutzen und Mehrwert. Eine effiziente Möglichkeit zur Omni-Channel-Content-Entwicklung kann beispielsweise der Ansatz „Modular Content” sein – aber auch hier müssen wir genau sehen, wo die Life-Sciences-Unternehmen heute stehen. Deshalb setzen wir auf organisches Wachstum. Unsere langfristige Prognose lautet: In fünf Jahren wird sich die Kommunikationswelt so rasant verändert haben, dass jeder selbstverständlich Instant Messages verschickt – sowohl im privaten wie auch beruflichen Umfeld.
Wir werden zukünftig nicht nur über den richtigen Inhalt, den richtigen Kanal und passenden Zeitpunkt sprechen, sondern über die effektive Gestaltung von Kommunikation. Zwingend notwendig ist dafür eine ganzheitliche Digitalstrategie, die man konsequent verfolgt.