Der entscheidende Unterschied zwischen Multichannel, Omnichannel und Crosschannel liege in der Integration und der nahtlosen Verbindung der Kanäle. Während Multichannel den Einsatz mehrerer Kanäle betone und Crosschannel den Austausch von Informationen zwischen den Kanälen beschreibe, ermögliche der Omnichannel-Ansatz eine konsistente und personalisierte Erfahrung über alle Touchpoints hinweg, erläutert Kristina Lutilsky, Senior Content & Communication Specialist beim Ärztenetzwerk coliquio. „So schaffen Sie eine enge Bindung zu Ärztinnen und Ärzten und erhöhen Ihre Erfolgschancen im Wettbewerb um ihre Aufmerksamkeit.“
Ein Omnichannel-Marketing sei gerade deshalb für Healthcare-Unternehmen unverzichtbar, weil die Zukunft in der intelligenten Integration der genutzten Kanäle und in der Anpassung an die sich verändernden Bedürfnisse im „Ökosystem Gesundheit“ liege, betont Kerstin Dehn, VP Operations & Strategy DACH von coliquio.
■ Chancen & Herausforderungen
Omnichannel sei für Pharmauunternehmen gerade jetzt äußerst relevant, weil die digitale Transformation das Gesundheitswesen und die Art und Weise, wie Fachkräfte und Patientenschaft bzw. Kundschaft miteinander interagieren, grundlegend verändere. Dehn und Lutilsky führen fünf Aspekte an, die erklären, warum die Industrie auf Omnichannel-Marketing setzen sollte.
Erstens habe die digitale Revolution die Erwartungen der Ärzte verändert. Sie wollten Zugang zu Informationen und Dienstleistungen über verschiedene Kanäle und zu unterschiedlichen Zeiten. Durch Omnichannel könnten Pharmaunternehmen diese Erwartungen erfüllen und ein nahtloses Erlebnis über alle Kanäle hinweg bieten.
Personalisierte Inhalte und maßgeschneiderte Ansprachen würden immer wichtiger – Omnichannel ermögliche eine gezielte und individualisierte Kommunikation. Es gehe darum, „relevante Informationen und Botschaften über die richtigen Kanäle zur richtigen Zeit an die richtige Zielgruppe“ zu senden, um so eine engere Bindung zu den Healthcare Professionals aufzubauen.
Kerstin Dehn und Kristina Lutilsky. Quelle: coliquio
Auch beim Omnichannel-Marketing geht es um eine Maximierung der Reichweite: Pharmaunternehmen könnten ihre Sichtbarkeit erhöhen, indem sie verschiedene Kanäle nutzen, was es ihnen ermögliche, eine breitere Zielgruppe anzusprechen und die Markenbekanntheit zu steigern. Bei digitalen Kanälen kommt hinzu: „Über geeignete Links und Tracking ist der Erfolg sehr gut messbar“, so Kristina Lutilsky.
Gleichzeitig können Unternehmen die Effizienz ihres Marketings durch den Einsatz von Omnichannel-Strategien steigern. Die Integration und Automatisierung verschiedener Kanäle ermögliche eine effiziente Verwaltung von Inhalten, Kampagnen und Interaktionen. Kerstin Dehn: „Das spart Zeit, Ressourcen und ermöglicht eine bessere Ausrichtung auf die individuellen Bedürfnisse der Zielgruppe.“
Schließlich, so der fünfte Aspekt, sei es in einer zunehmend digitalisierten und vernetzten Welt entscheidend, mit der Zeit zu gehen und innovative Ansätze zu nutzen. Durch den Einsatz von Omnichannel könnten sich Arzneimittelhersteller von ihren Mitbewerbern abheben und ein differenziertes Markenimage aufbauen, das auch klassische Elemente, wie beispielsweise den Außendienst, weiterhin sinnvoll integriere.
„Ärztinnen und Ärzte, medizinisches Fachpersonal sowie die Patientenschaft entwickeln sich im privaten Bereich digital stark weiter. Daher besteht dieser Anspruch ebenso an die fachliche Kommunikation“, fasst Kerstin Dehn zusammen. „Das bedeutet: Es wird ein stärkerer Kanalmix erforderlich, in dem Inhalte gleichzeitig verzahnt und gezielt auf die Bedürfnisse abgestimmt sein müssen. Die bedürfnisorientierte Umsetzung wird neben den Produktvorteilen auch das Feld sein, in dem man sich von seinen Wettbewerbern in Zukunft stark differenzieren kann.“
■ Customer Centricity & Customer Journey
Für den Erfolg des Omnichannel-Marketings ist entscheidend, die Ärztinnen und Ärzte über ihre gesamte Customer Journey zu begleiten. Wobei es darum geht, ihre Informationsbedürfnisse zur Therapie und zum Produkt und ihre Herausforderungen in der täglichen Arbeit, aber auch ihre Präferenzen, was Kanäle und Formate angeht, bestmöglich zu kennen. Die Qualität der Insights – sowohl hinsichtlich der persönlichen Präferenzen der einzelnen Ärzte, aber auch in Bezug auf ihre Vehaltensmuster –, ist ganz entscheidend für die Effektivität einer Omnichannel-Kampagne. Denn nur wenn diese in einer hohen Qualität vorliegen, können Ärztinnen und Ärzte personalisiert angesprochen werden.
■ Beziehungspflege durch den Außendienst
Angesichts des sich verändernden Mediennutzungs- und Informationsverhaltens haben digitale Kommunikationskanäle in der Kundenansprache an Bedeutung gewonnen. Denn anders als die „klassische“ Printanzeige und Fachartikel in gedruckten Medien gestatten digitale Kanäle nicht nur eine viel höhere Kontaktfrequenz, sondern sie erlauben auch eine multimediale Aufbereitung von Inhalten, die heutzutage gerne ein Format haben sollten, das zwischendurch „snackable“ ist. Hinzu kommt, dass digitale Kanäle viel besser aufeinander abgestimmt und miteinander vernetzt werden können – und die Messung des Erfolgs ist ebenfalls einfacher. Stellt man fest, dass eine Maßnahme nicht den gewünschten Effekt erzielt, lässt sich das Werbemittel zudem relativ schnell optimieren.
Dennoch sind die „klassischen“ Kommunikationskanäle (noch) nicht obsolet geworden. Gerade der Außendienst kann im Hinblick auf eine effektive Omnichannel-Strategie wertvolle Dienste leisten. Denn hat der Mitarbeitende im Außendienst das Vertrauen des HCP gewonnen, ist das die Basis für eine stabile Beziehung – und es steigert die Glaubwürdigkeit des Unternehmens. Wobei der Außendienst nicht nur die gewünschten Marketingbotschaften beim Healthcare Professional platziert, sondern umgekehrt auch Informationen über die einzelnen Ärzte sammelt, die dann wiederum in die Optimierung des Omnichannel-Marketings einfließen.
Dabei ist auch der Außendienst schon lange kein rein analog handelndes Marketing- und Vertriebsinstrument mehr. Digitale CRM-Systeme bieten dem Mitarbeitenden jederzeit einen Überblick darüber, was bei dem jeweiligen Arzt schon „gelaufen“ ist und sie ermöglichen es, direkt aus ihnen heraus Informationen wie beispielsweise eine Produktpräsentation oder neueste Studienergebnisse mit dem Arzt zu teilen. Umgekehrt kann der Außendienst aber auch neue Erkenntnisse über den Arzt, die er im Rahmen seines Besuchs gewonnen hat, in das CRM einpflegen und diese den Marketing- und Vertriebsteams im Unternehmen zugänglich machen. Auf diese Weise können alle, die im Unternehmen mit der Ansprache der Healthcare Professionals befasst sind, deren Bedürfnisse verstehen und bei allen Maßnahmen berücksichtigen, und so die Wahrscheinlichkeit, dass das beworbene Produkt auch verordnet wird, erhöhen.
■ Omnichannel für kleine Zielgruppen
Einen besonderen Fall stellt das Omnichannel-Marketing für kleine Facharztzielgruppen dar, wie ihn Uwe Spitzmüller, Client Service Director bei der Healthcare-Agentur Spirit Link, im Rahmen eines Webinars vorgestellt hat. „Kleine Zielgruppen“ definiert der Kommunikationsexperte mit einer Zahl von ca. 100 Personen, wobei es zwei Möglichkeiten gibt, wie diese zustande kommen: Es kann sich um sehr kleine fachliche Segmente handeln, andererseits ist es aber auch möglich, durch aktive Segmentierung aus einer größeren viele kleine Zielgruppen zu machen. Solche Segmente können beispielsweise dadurch definiert werden, dass es sich beispielsweise um Fans der Mitbewerberprodukte handelt, man kann die HCPs nach Regionen unterteilen oder auch dadurch, ob es sich um patienten- oder um datenorientierte Ärzte handelt, wie Spitzmüller erläuterte.
Uwe Spitzmüller. Quelle: Spirit Link
Aber lohnt sich der Aufwand, der hinter Omnichannel steckt, bei kleinen Zielgruppen überhaupt? Schließlich sind die „Hausaufgaben“ in der Strategieentwicklung, der Kreation und der Produktion ebenfalls zu erledigen – pro erreichtem HCP müsse man also mehr Geld in die Hand nehmen als in der Massenkommunikation. Für Uwe Spitzmüller lautet die klare Antwort: „Ja“, denn es gebe klare Vorteile hinsichtlich der Wirksamkeit der Maßnahmen. Bei einer klaren Segmentierung habe die Kreation ein sehr viel wertvolleres „Sprungbrett“ und man könne in der Kommunikation viel präziser auf die Zielgruppe eingehen. Und man falle mit seiner Kommunikation viel stärker auf, denn bei großen Zielgruppen fielen viele gute Ideen dem „One size fits all“ zum Opfer. „Die Ansprache kleiner Segmente ist stimmiger und bietet mehr Möglichkeiten einer emotionalen Ansprache“, betont Spitzmüller.
Eine solche Ansprache benötigt allerdings mehr Varianten der Kommunikationsmaterialien und erhöht so den Aufwand. Eine segmentspezifische Anpassung könne man aber „schlau“ vornehmen, betont Spitzmüller, und er nennt beispielhaft die Ansprache per E-Mail: „Hier kann man die Betreffzeile anpassen, denn sie beeinflusst in hohem Maß die Opening Rates. Im Inhalt sind es die Headlines und Visuals, welche die Klick Through Rates erheblich beeinflussen.“ Natürlich könne die segmentspezifische Anpassung aber auch bis in den Inhalt selbst gehen. In jedem Fall habe der Außendienst dann mehrere Varianten zur Verfügung und man müsse ihn deshalb „mit ins Boot“ holen – „sonst braucht man einen solchen Ansatz gar nicht in Betracht zu ziehen“. Die Segmentierung kann auch auf der Landing Page weiter fortgeführt werden, indem man dort zum Beispiel unterschiedliche Bereiche hat, welche die einzelnen Segmente bedienen – zum Beispiel einen Bereich, der stärker die Patienten-, und einen, der mehr die Datenperspektive betont. Aber auch eine vollständige Segmentanpassung ist natürlich möglich – bei steigendem Aufwand.
Nicht lohnend ist eine segmentspezifische Kommunikation nach der Erfahrung des Spirit-Link-Teams in einer Launchphase. „In dieser Phase müssen so viele Materialien von Grund auf entwickelt und produziert werden, dass seltenst die Zeit und das Budget zur Verfügung stehen, um in diesen Materialien segmentspezifisch zu denken“, sagt Spitzmüller. Was für ihn aber noch wesentlicher ist: „In der Launchphase müssen wir das Produkt mit all seinen Facetten – von Wirksamkeit über Sicherheit und Verträglichkeit bis hin zu Anwendung und vielem mehr – ganzheitlich darstellen.“ Spannend werde es aber in der Wachstumsphase, in der man die „typischen Markteroberungsziele“ habe. Hier gehe es um die Differenzierung gegenüber den Wettbewerbern, weshalb hier eine individuellere Kommunkation, zum Beispiel indem man nach psychologischen Kriterien segmentiere, spannend sein könne.
Gerade bei kleinen Zielgruppen sei ein Fokus auf die eigenen Kanäle und deren Vernetzung besonders wichtig, hebt Spitzmüller zum Abschluss hervor, denn hier wolle man ja eine streuverlustfreie Kommunikation erreichen. Man benötige acht bis zehn Kontaktpunkte, bis die Rezeption einer Botschaft bei den Adressaten sichergestellt sei. „Geht man von zwei Außendienstbesuchen pro Jahr aus, benötigt man natürlich noch weitere Kanäle. Dann ist es wichtig, die gesamte Marktbearbeitung rund um den Außendienst zu orchestrieren und diesen in die Lage zu versetzen, mit den anderen Kanälen mehr Kontaktpunkte – möglichst sehr persönliche Kontaktpunkte – zu schaffen.“