Die Künstliche Intelligenz ist laut Bettina Weinem (General Manager DACH-Region Inizio Engage) im Pharma-Sales längst Realität und optimiert insbesondere Targeting-Strategien. Die wahre Stärke der KI sieht Weinem jedoch nicht in den einzelnen Tools, „sondern in der durchdachten Integration in eine datengetriebene, orchestrierte Omnichannel-Strategie.“ Das Inizio-spezifische „Integrated Commercial Solutions Framework“ setze genau an diesem Punkt an und stelle sicher, „dass KI nicht isoliert genutzt wird, sondern als integraler Bestandteil einer kohärenten, strategisch ausgerichteten Kundeninteraktion dient“, sagt Bettina Weinem.

Auch Kathleen Rieser (CEO der good healthcare group) sieht, dass die Künstliche Intelligenz stetig voranschreite und viele KI-gestützte Tools längst im Alltag angekommen seien. Technologien wie Routen- und Terminplaner seien bereits fester Bestandteil des Workflows. „Besonders CRM-Systeme mit ‚Next Best Action‘-Vorschlägen, die auf Customer Journeys basieren sind in vielen Unternehmen etabliert“, erklärt Kathleen Rieser. „Diese helfen dabei, Außendienstbesuche effizienter zu gestalten.“

Eine andere Einschätzung zur Etablierung von KI-Tools im Alltag der Pharma-Vertriebsexperten teilen Niko Gabrielides (Partner & Director bei der BrainersHub GmbH) und David Link (Geschäftsführer von cyperfection). Niko Gabrielides nimmt wahr, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Pharma-Außendienst zwar langsam zunehme, eine umfassende Integration jedoch noch nicht erreicht sei. Gabrielides: „Aktuell wird KI vor allem in der Vertriebsplanung, der Erstellung von Marketinginhalten sowie bei der Generierung von Gesprächsleitfäden eingesetzt.“ Nach Erfahrung von Gabrielides testen einige Pharmaunternehmen bereits Pilotprojekte zu Next Best Action – also KI-gestützten Empfehlungen für die nächste Kommunikationsmaßnahme – sowie Lead Scoring, das mithilfe von KI potenzielle Kontakte priorisiere.

 

Von links nch rechts: Kathleen Rieser (good healthcare group), Bettina Weinem (Inizio), Kirsten Weber (ysura), Niko Gabrielides (BrainersHub), David Link (cyperfection)

 

David Link stimmt der Einschätzung von Gabrielides zu und stellt fest: „KI ist im Pharma-Sales noch nicht wirklich angekommen, geschweige denn fester Bestandteil des Alltags.“ Link führt an, dass große Unternehmen zwar bereits auf KI-gestützte CRM-Systeme, Predictive Analytics, Omnichannel und automatisierte Kundenanalysen setzen. Doch er registriert durchaus eine Schere in der Nutzung: „Während einige mit KI bereits experimentieren, kämpfen andere noch mit fragmentierten Daten, fehlender Systemintegration oder Vorbehalten gegenüber der Technologie“, konstatiert David Link. Trotz des noch zögerlichen Einsatzes ist für den cyperfection-Geschäftsführer klar, dass KI die Außendienstarbeit erleichtere. „Denn sie bereitet Informationen auf, hilft, Gespräche besser zu steuern, und schafft Zeit für das Wesentliche – den Austausch mit dem Arzt.“ Sicherlich werde sich die Idee, dass Mensch und Maschine sich ergänzten, immer mehr durchsetzen, denkt Link. Doch die Zusammenarbeit müsse aktiv gestaltet und gesteuert werden. 

Kirsten Weber (Head of Marketing bei ysura) bemerkt ebenfalls eine Zunahme des KI-Einsatzes im Pharma-Außendienst, aber keine vollständige Integration. „Die digitale Reife eines Unternehmens bestimmt dabei den Erfolg der Mensch-Maschine-Kollaboration“, nennt Weber als Erfolgsrezept bei der konkreten Nutzung. „Besonders effektiv ist der Einsatz dort, wo KI als Unterstützung und nicht als Ersatz für den Außendienst verstanden wird. Unternehmen, die frühzeitig in die Implementierung investieren, profitieren von besserer Datennutzung, gezieltere Kundenansprache und effizienteren Vertriebsabläufen.“

Was sind die Hindernisse beim Einsatz der KI-Tools im Pharma-Sales? 

Als größte Herausforderungen definiert Kathleen Rieser die Akzeptanz der Mitarbeiter, regulatorische Anforderungen und die fehlende nahtlose Integration der Systeme. „Viele Außendienstmitarbeiter sehen KI als Fremdbestimmung und Einschränkung ihrer Entscheidungsfreiheit oder gar als Bedrohung für ihre eigene Rolle“, konstatiert die CEO der good healthcare group. Das mangelnde Vertrauen resultiere auch daraus, dass Systeme Empfehlungen ausspielten, die nicht mit den tatsächlichen Erfahrungen übereinstimmten. Es brauche deshalb klare Strategien, um die Technologie als Unterstützung und nicht als Kontrolle zu etablieren, so Rieser.

Bettina Weinem identifiziert die gleichen Hindernisse wie Rieser: Die Künstliche Intelligenz werde oft noch als „Black Box“ wahrgenommen. Viele Teams stehen nach Einschätzung von Bettina Weinem vor der Herausforderung, die neuen Technologien nicht als Bedrohung, sondern als echte Unterstützung zu verstehen. Ihre Lösung: „Erfolgreiche Unternehmen setzen daher nicht nur auf Hard- und Software, sondern auf deren durchdachte Einführung, die den Außendienst befähigt, KI als echten Performance-Treiber zu nutzen.“

David Link benennt das Akzeptanz-Problem als größte Hürde. „Viele Außendienstmitarbeiter befürchten, KI könnte sie kontrollieren oder überflüssig machen“, weiß Link. Tatsächlich sei es jedoch genau umgekehrt: „Wer die Technologie nutzt, wird besser und effizienter“. Als weiteres Hindernis verweist David Link auf die Frage der Datenqualität. „Viele Unternehmen haben keine bereinigten Datenquellen und vernetzte Datensysteme, was den Nutzen der KI begrenzt“, so Link. „Ohne verlässliche Daten bleibt sie ein stumpfes Schwert.“ Mit Blick auf den Datenschutz hebt Link hervor, dass KI im Pharma-Sales regulatorisch saubere Ergebnisse liefern müsse. „Unternehmen, die hier in klare, transparente Lösungen investieren, nehmen einen zentralen Wettbewerbsfaktor vorweg.“

Da der direkte Einsatz von KI im Außendienst noch in den Anfängen stecke, profitierten Vertriebsmitarbeiter in ihrer täglichen Arbeit nicht unmittelbar von Künstlicher Intelligenz, sondern vor allem von verbesserten Informationen und strategischen Planungsmöglichkeiten, die durch KI-generierte Daten ermöglicht würden, stellt Niko Gabrielides fest. „Insbesondere zeigt sich der Mehrwert in kundenzentrierten Inhalten, die mithilfe generativer KI erstellt werden, der Unterstützung in der Vertriebsplanung sowie der Priorisierung von Ärzten und Ärztinnen mit besonders hohem Verschreibungspotenzial.“ 

Um die aktuellen Hindernisse zu überwinden, braucht es nach Erfahrung von Kathleen Rieser „gezieltes Change Management“. Ihre Empfehlung lautet denn auch Mitarbeitende aktiv in den Einführungsprozess einzubinden, „um zu verstehen, dass KI keine Konkurrenz, sondern eine sinnvolle Ergänzung ist“. Die Ziele der Nutzung von KI müssten klar definiert werden. Als weiteren wichtigen Punkt führt Rieser die technische Infrastruktur an: „Viele Unternehmen haben noch keine ganzheitliche Verknüpfung zwischen KI, CRM und Außendienststeuerung. Ohne eine robuste Dateninfrastruktur kann KI ihr volles Potenzial nicht entfalten.“ Doch nicht nur die Vorbehalte des Pharma-Außendienstes verhinderten eine schnellere Entwicklung und flächendeckende Implementierung. Rieser lenkt den Blick auch auf die Ärztinnen und Ärzte, die den persönlichen Kontakt schätzten, und deshalb auch zurückhaltend reagierten. „Es herrscht fehlendes Vertrauen beziehungsweise eine fehlende Akzeptanz von KI-gestützten Empfehlungen.“ Für Kathleen Rieser liegt der Spielball daher auch im Feld der Pharma-Industrie. Sie sieht für die Healthcare-Industrie eine Chance, „die Vorteile für HCPs beispielsweise durch einen schnelleren Zugriff auf Studien oder das Nachliefern von Daten erlebbar zu machen“. Schlussendlich kommt es laut Rieser dann auf das Ausbalancieren der KI-Unterstützung und persönlichen Betreuung an.

Positiver Blick: Was macht die Nutzung von KI-Tools attraktiv?

Doch trotz aller bestehender Hemmnisse gibt es durchaus positive Entwicklungen beim Einsatz von KI-Tools zu berichten. Nach Aussage von Kirsten Weber liegt der Vorteil der Künstlichen Intelligenz darin, „dass sie zeitaufwändige Aufgaben übernimmt und sicherstellt, dass Vertriebsmitarbeiter mit den richtigen Informationen zur richtigen Zeit agieren können“.

David Link ist überzeugt: „Wer einmal mit einer guten KI gearbeitet hat, will sie nicht mehr missen.“ Sie nehme mühsame Recherchen ab, liefere exakt die richtigen Informationen für Gespräche und helfe, schneller und gezielter auf Ärzte einzugehen. Ein weiterer Mehrwert sei die Zeitersparnis: „Statt Stunden mit Datenpflege oder der Suche nach passenden Argumenten zu verbringen, haben Außendienstler sofort Zugriff auf alles Wichtige. Gespräche werden individueller, persönlicher und erfolgreicher“, betont Link.

Die größten Vorteile liegen für Kathleen Rieser in der Entlastung von administrativen Aufgaben. „Niemand vermisst das manuelle Eintragen von Terminen oder das umständliche Erstellen von Besuchsberichten.“ Auch E-Mails könnten so schnell erstellt werden und sprachgesteuerte Assistenten, die während der Autofahrt Berichte aufnehmen beziehungsweise wiedergeben oder relevante Kundendaten abrufen, erleichterten den Alltag erheblich, so Rieser. Einen weiteren entscheidenden Vorteil sieht sie in einem „verbesserten Zugriff auf Fachinformationen. In einem anspruchsvollen Gespräch mit einem Arzt schnell eine belastbare Antwort auf eine Fachfrage zu haben, kann einen enormen Unterschied machen“.

KI in der nahen Zukunft: Wann wird der Einsatz selbstverständlich sein?

Der entscheidende Erfolgsfaktor für den selbstverständlichen Einsatz der Künstlichen Intelligenz ist nach Einschätzung von Kirsten Weber, sie als festen Bestandteil der Vertriebsstrategie zu etablieren, anstatt sie als isolierte Technologie zu betrachten. „KI sollte nicht nur Prozesse optimieren, sondern auch einen nachhaltigen Mehrwert für HCPs und Vertriebstmitarbeiter schaffen.“ 

Niko Gabrielides prognostiziert, dass bis Ende 2025 weitere Ansätze entwickelt werden, um Vertriebsmitarbeiter im Pharma-Vertrieb gezielt durch den Einsatz von KI zu unterstützen. „Derzeit laufen zahlreiche Pilotprojekte, die darüber entscheiden werden, in welchem Umfang KI künftig in den jeweiligen Pharmaunternehmen implementiert wird. Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass die bereits bestehenden Einsatzmöglichkeiten von KI weiter ausgebaut werden“, so Gabrielides. 

Auch Bettina Weinem ist der Überzeugung, dass sich die Nutzung von KI im Pharma-Außendienst weiter ausbreiten werde. „Aber nicht als Selbstzweck“, so Weinem, denn erfolgskritisch werde sein, „wie gut KI mit bestehendem Wissen, Omnichannel-Strategien und menschlicher Expertise verknüpft wird“. Ihr Fazit mit Blick auf die zukünftge Entwicklung: „KI ist kein Ersatz für den Außendienst, sondern ein Katalysator für intelligenteres, effizienteres und wert-orientierteres HCP-Engagement“.

David Link stellt die Prognose, dass KI in ein bis zwei Jahren im Außendienst nicht mehr als „extra Tool” gesehen werde, sondern als selbstverständlicher Bestandteil des Arbeitsalltags fungiere. Aber Link stellt auch klar: „Der Mensch bleibt dabei der Schlüssel.“ KI solle und werde den Außendienst nicht ersetzen, sondern ihn vielmehr auf ein neues Level heben – „schneller, intelligenter, personalisierter“. Wer bis Ende 2025 nicht auf KI setze und keine Strategien und Prototypen erarbeitet habe, wird es in Zukunft schwer haben, mitzuhalten.