Dass Pharmaunternehmen vom systematischen und gezielten Einsatz von Corporate Influencern profitieren, steht für Bastian Harth, Senior Vice President Corporate Reputation bei Weber Shandwick, außer Frage. „Insbesondere die persönlichen LinkedIn-Profile unserer Kunden haben sich als besonders effektiv für unsere Arbeit erwiesen. Hier geben ausgewählte Corporate Influencer ihrem Unternehmen im wahrsten Sinne ein Gesicht und können ihren Aussagen eine persönliche Note verleihen.“ Verbunden mit den richtigen Inhalten könnten sie auf diese Weise das Profil ihres Unternehmens schärfen und wirkungsvoll zu seiner Reputation beitragen. Die größten Vorteile gegenüber der Arbeit mit klassischen Medien liegen für Harth in dem sehr auf die Person fokussierten Ansatz und seine hohe Effizienz: „Bei LinkedIn erreichen wir die gewünschten Zielgruppen – zum Beispiel Healthcare Professionals, Gesundheitsexperten aus Politik und Verwaltung, Interessenvertreter der Pharmabranche sowie potenzielle und existierende Mitarbeitende – bequem an ein und demselben Ort.“ Heutzutage nicht mehr sinnvoll findet er die Abgrenzung zu sogenannten klassischen Formen der Unternehmenskommunikation, denn ein durchdachtes Corporate-Influencer-Programm sei für ihn mittlerweile schon fast ein Must-have, also im Grunde schon Teil des Establishments – „ein moderner Klassiker“, so Harth. 

Greifbar und glaubwürdig sein

Pharmaunternehmen müssten komplexe Themen und Innovationen greifbar und glaubwürdig  vermitteln, und genau dabei könnten Corporate Influencer einen echten Unterschied machen, meint Andrea Biebl, CEO von MW Office. Sie schüfen eine Verbindung, die klassische Unternehmenskommunikation oft nicht erreichen könne, denn Menschen kommunizierten nun mal lieber mit Menschen als mit Unternehmen. „Corporate Influencer kontextualisierten komplexe Unternehmensbotschaften und vermittelten konkrete und persönliche Einblicke und Erfahrungen – sie könnten die Glaubwürdigkeit eines Unternehmens somit immens steigern.“ Engagierte Corporate Influencer könnten zudem eine höhere Reichweite als Unternehmen erreichen und auch ihre Inhalte würden oftmals besser geteilt.

Das Thema Employer Branding war für MW Office der Anlass, vor fast zwei Jahren ein eigenes Corporate-Influencer-Programm zu etablieren. „Wenn Mitarbeitende Stimme zeigen und stolz auf das sind, was sie tun, vermittelt das ein authentisches Bild der Unternehmenskultur. Für potenzielle Bewerberinnen und Bewerber wird greifbar, was das Unternehmen auszeichnet – von den potenziellen Projekten bis hin zu den Werten, die es lebt“, erklärt Biebl.

Gerade große Pharmakonzerne müssten oft  ein breites Themenspektrum abdecken und verschiedene Märkte und Zielgruppen bedienen, die Mitarbeitenden könnten sich dagegen stärker auf ihren individuellen Expertisebereich fokussieren, merkt Julia Bressem an, Head of Healthcare bei FleishmanHillard. „So besetzen sie Nischenthemen, die in der allgemeinen Unternehmenskommunikation nicht genug Raum finden.“ Hinzu komme, dass es für Unternehmensprofile immer schwieriger werde, Engagement oder überhaupt organische Reichweite zu erzielen.

Intrinsische Motivation gepaart mit Unterstützung

Jeder berichtet hin und wieder im Bekanntenkreis oder im Netz von der eigenen Arbeit und schafft somit ein Bild vom Unternehmen. Von Corporate Influencern spreche man aber erst, wenn die Aktivitäten ausgewählter Markenbotschafter gezielt gefördert werden, betont Nora Feist, CEO und HR-Verantwortliche bei Mashup Communications. „Dafür eignen sich besonders Mitarbeitende, die zufrieden in der Firma sind, begeistert von ihrer Arbeit in Pharma und Healthcare berichten und die Unternehmenswerte leben.“ Teammitglieder, die auf Social Media ohnehin sehr aktiv seien und sich vielleicht sogar schon eine gewisse Reichweite aufgebaut haben, seien besonders wertvoll. Doch genauso bedeutend sei auch eine gute Mischung aus unterschiedlichen Persönlichkeiten, Abteilungen und Hierarchieebenen.

Die Rolle als Corporate Influencer sollte immer auf Freiwilligkeit beruhen, betont Andrea Biebl. Diejenigen, die sich für diese Aufgabe entscheiden, müssten Freude daran haben, nach außen zu kommunizieren und authentisch über ihre Arbeit und das Unternehmen zu sprechen. Ein gutes Gespür für Zielgruppen, Neugier auf soziale Medien und die Bereitschaft, sich aktiv einzubringen, seien dabei von Vorteil. Von Unternehmensseite brauche es gezielte Unterstützung, damit sich die Mitarbeitenden sicher und professionell in ihrer Rolle entfalten können. „Wir als Agentur beraten die Corporate Influencer strategisch und inhaltlich, unterstützen sie im Community Management und können sie so hinsichtlich Zeit und Ressourcen entlasten“, beschreibt Biebl ihre Rolle. Entscheidend sei zudem, dass ein oder einige wenige Fokusthemen festgelegt werden: „Für welches Unternehmensthema ‚brennt‘ der Corporate Influencer besonders? Für welche Werte kann er mit seiner Person besonders gut stehen?“ Im eigenen Corporate-Influencer-Programm von MW Office sollen regelmäßige Feedbackrunden, ein unterstützendes Netzwerk und Schulungen zu relevanten Themen dabei helfen, die Sicherheit zu stärken und die eigene Stimme gezielt einzusetzen. 

Die Kandidaten sollten eine gewisse Affinität zu LinkedIn haben und auch generell nichts dagegen haben, ihre Meinung und die Haltung ihres Unternehmens öffentlich zu vertreten, sagt auch Harth. Zumindest ab der Management-Ebene könne man aber davon ausgehen, dass Kandidaten diese Eigenschaften mitbringen. Was von Seite der Agentur vermittelt werden muss, sei sehr individuell. „Ideale Corporate Influencer sind bereits sehr aktiv bei LinkedIn unterwegs und gut vernetzt. Aber selbst bei diesen Kandidaten können wir in der Regel immer noch Dinge optimieren, sei es das Profil an sich, das Messaging, die gewählten Themen oder auch die Form ihrer Posts und Artikel.“

Ein Rahmen gibt Sicherheit

Neben den persönlichen Voraussetzungen sei es auch wichtig, mithilfe von Guidelines und eines Verhaltenskodex eine klare Grundlage zu schaffen, damit Corporate Influencer ihre Rolle sicher und verantwortungsvoll ausfüllen könnten, sagt Biebl. Dabei gehe es darum, rechtliche Vorgaben wie Compliance und Datenschutz zu berücksichtigen, transparente Kommunikation sicherzustellen und authentische, ehrliche Botschaften zu vermitteln. Respekt und Professionalität im Umgang mit Zielgruppen sowie ein angemessener Ton seien dabei ebenso entscheidend. „Für uns ist es wichtig, dass unsere Influencer eine Orientierung haben, die ihnen Sicherheit gibt und gleichzeitig genügend Freiraum lässt, ihre eigene Persönlichkeit und Individualität in die Kommunikation einzubringen.“

„Trockene“ Themen wie rechtliche Grundlagen zu vermitteln, sei unerlässlich, findet Julia Bressem. Urheber- und Persönlichkeitsrechte seien ebenso zu beachten wie Verschwiegenheitsklauseln, Kennzeichnungspflichten, Wettbewerbsregeln, Regularien wie das HWG und das Wahren von Betriebsgeheimnissen. „Allerdings sind dadurch Social-Media-Guidelines allzu oft auf Warnungen und Hinweise auf mögliche Verstöße ausgelegt, statt Mitarbeitende zu Aktivität und Sichtbarkeit zu ermuntern. Das ist natürlich eher kontraproduktiv, um eine aktive Corporate-Influencer-Community zu fördern“, so Bressem.

 

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V.l.n.r.: Andrea Biebl (MW Office; Quelle: Miro Weber), Nora Feist (Mashup Communications; Quelle: Saskia Uppenkamp), Julia Bressem, (FleishmanHillard; Quelle: FleishmanHillard), Bastian Harth (Weber Shandwick; Quelle: privat)

 

Bei Weber Shandwick erstelle man üblicherweise einen Leitfaden, „damit die Corporate Influencer bei aller Individualität mit einer Stimme sprechen und nicht über die Stränge schlagen“. Das Grundgerüst der Guidelines sollte seiner Meinung nach immer aus zwei elementaren Modulen bestehen: Zuerst werde das „Warum“ beleuchtet – hier erfahren die Kandidaten, was ihre Aufgabe ist und von welchen Prinzipien sie sich leiten lassen sollten. Darauf folge der zweite Teil, der sich dem „Wie“ widmet und die eigentliche Anleitung darstellt. Hier erfahren die Corporate Influencer in ganz praktischer Form, wie sie ihr Profil optimieren, welche Aktivitäten für sie auf der Plattform in Frage kommen und wie sie am besten effizient und wirkungsvoll umsetzen. Hierbei stünden die Posts im Vordergrund, also Zeitpunkt, Frequenz und Länge. Auch Informationen zur Medien- und Bildnutzung sowie Grundlagen des Datenschutzes würden vermittelt. „All diese Inhalte produzieren wir individuell und in ganz unterschiedlichen Ausprägungen und Formaten, vom One-Pager über das Booklet bis zum Video oder sogar internen Podcast. Und auch digitale Präsenztrainings sind in aller Regel Teil unserer Planung für die Kunden“, so Harth. 

„Corporate Influencer geben der Marke ein Gesicht. Somit vertreten sie die Werte, Ziele, Kultur – kurz: das Leitbild – von Arbeitgeber und Marke. In klaren Guidelines sollten diese festgehalten sein, sodass sich die ausgewählten Influencer bei Postings, Kommentaren und Likes daran orientieren können“, sagt Nora Feist. Zudem sollten die Corporate Influencer bezüglich Unternehmenszielen und aktuellen Entwicklungen immer auf dem neuesten Stand sein, sodass sie die wichtigsten Kommunikationsanlässe auch tatsächlich nutzen könnten.

Gratwanderung zwischen Strategie und Freiheit

Auch wenn die Unternehmenswerte und Kommunikationsregeln wichtig sind, sollten sie nur den Rahmen bilden, in dem sich die Markenbotschafter frei und unverstellt bewegen können, betont Feist.  „Ziel sollte nicht sein, dass lediglich die freigegebenen Firmenpostings wiederverwendet, sondern dass eigene Meinungen, Gedanken, Erfahrungen und Botschaften geteilt werden“, so Feist. Mit sogenannten Storylistening-Sessions könnten Unternehmen zudem Geschichten herauskitzeln und gezielt eine Kultur des Austauschs fördern, empfiehlt die Mashup-Chefin.

Die Gratwanderung zwischen übergeordneter Kommunikationsstrategie und persönlich-authentischer Kommunikation sei eine der größten Herausforderungen, so Harth. Einerseits wollten Kommunikationsverantwortliche eine möglichst große Kontrolle über die Botschaften, andererseits mache die Freiheit einen großen Teil der intrinsischen Motivation eines Corporate Influencers aus. Man müsse jeden Einzelfall beleuchten und „stellt sich heraus, dass ein Corporate Influencer entweder zu viel Anleitung benötigt oder die Guidelines geflissentlich ignoriert, könnte das im einen wie im anderen Fall schlichtweg bedeuten, dass die Person doch nicht als Corporate Influencer in offiziellem Auftrag geeignet ist.“ Allerdings habe er solche Fälle bis jetzt nur sehr selten erlebt. In der Regel verstünden die Kandidaten sehr schnell, auf welche „Zutaten“ es ankommt.

Die Unternehmenskommunikation sollte „unterstützen, coachen, fördern, aber keine Inhalte vorschreiben“, sagt Julia Bressem. Wichtig sei aber natürlich, dass alle Corporate Influencer die übergeordnete Kommunikationsstrategie kennen. „Der Zauber liegt allerdings darin, dass sie nicht einfach Unternehmensbotschaften multiplizieren, sondern sich auf spezifische Themenschwerpunkte sowie eine Teilzielgruppe fokussieren können und durch Authentizität und Persönlichkeit Glaubwürdigkeit schaffen.“

Für Andrea Biebl ist es wichtig, dass die Teilnehmenden an einem solchen Programm ein klares Verständnis darüber haben, welche Werte und Botschaften das Unternehmen vertritt und wie sie diese authentisch in ihre Kommunikation einfließen lassen können. Ein zentraler Bestandteil der Umsetzung sei bei MW Office ein monatlicher Redaktionsplan, in dem sowohl übergeordnete Corporate-Themen als auch persönliche Themen der Influencer besprochen werden. Biebl warnt vor zu vielen Vorgaben, denn damit würde man die natürliche Ausdruckskraft und die individuelle Note der Influencer einschränken. „Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, den Teilnehmenden Raum zu geben, eigene Geschichten zu erzählen und Themen aufzugreifen, die sie wirklich interessieren. So bleibt die Kommunikation lebendig und authentisch, ohne dabei die strategische Ausrichtung zu verlieren“, so Biebl. Ein flexibles, gut abgestimmtes System, das sowohl Orientierung biete als auch Freiräume lasse, habe sich auch im MWO-eigenen Programm als Erfolgsfaktor bewährt. Es erlaube den Mitarbeitenden, sich kreativ zu entfalten, während sie gleichzeitig mit der Unternehmensstrategie im Einklang bleiben.

Motivation durch Anreize verstärken

Man könne keinen Mitarbeitenden zwingen, in regelmäßigen Abständen, nach festgelegten Regeln und nach Maßgabe eines Themenplans, zum Beispiel bei LinkedIn, aktiv zu sein, sagt Harth. Denn eine Corporate-Influencer-Tätigkeit sei ja eine zusätzliche, unbezahlte Tätigkeit, bei der man sie zwar tatkräftig unterstützen könne, die aber dennoch an der eigenen Kapazität nage. „Aber Sie können eine ohnehin vage vorhandene Motivation durch Anreize verstärken.“ Er denkt dabei insbesondere an die Vermittlung von Wissen, denn Know-how schaffe Vertrauen in die eigene Eignung. „Außerdem empfehlen wir immer, in regelmäßigen Abständen Wertschätzung zu vermitteln, die Kandidaten mit Tipps und Tricks zu unterstützen und immer wieder zu ermutigen, im eigenen Ton und Rhythmus zu kommunizieren.“ 

Andrea Biebl betont die große Bedeutung der intrinsischen Motivation der Influencer „Die besten Influencer sind die, die wirklich hinter den Themen stehen, über die sie sprechen, und die sich mit dem Unternehmen und dessen Werten identifizieren.“