Digitale Gesundheitsanwendungen sollen Patientinnen und Patienten unterstützen und gleichzeitig Versorgungspfade entlasten. Die Realität sieht oft anders aus. Verordnungen sind umständlich, die Integration in Praxissoftware ist lückenhaft und die Unsicherheit auf Seiten der Ärztinnen und Ärzte bleibt hoch. Umso bemerkenswerter ist es, wenn ein Unternehmen wie Bayer sich aktiv für den Ausbau dieses Segments entscheidet. Das scheint auch ein Signal in den Markt zu sein, dass sich möglicherweise mehr Pharmafirmen als bisher einbringen werden. Mit „Cara Care für Reizdarm“ hat der Konzern eine DiGA in das eigene Portfolio aufgenommen, die Patientinnen und Patienten effizient unterstützen soll.

Linda Obermeyr, verantwortlich für Digital Health im Bereich Gastroenterologie bei Bayer und Mitglied der Geschäftsführung von HiDoc, dem Hersteller der DiGA, beschreibt die Motivation so: „Unser Streben bei Bayer, den Menschen zu helfen, ihre Gesundheit selbst zu steuern, geht weit über unsere Produkte hinaus.“ Digitale Angebote sollen Nutzende zu mehr Selbstkompetenz befähigen und dabei gleichzeitig die ärztliche Therapie sinnvoll ergänzen.

■ Ergänzen, nicht ersetzen

Die App richtet sich an Patientinnen und Patienten mit Reizdarmsyndrom und basiert auf einem 12-wöchigen Programm. Personalisierte Module vermitteln Wissen, fördern Verhaltensanpassung und zielen auf eine spürbare Symptom-verbesserung. „Die DiGA kann das leisten, was eine Ärztin oder ein Arzt allein oft nicht kann“, sagt Obermeyr. Gemeint ist die kontinuierliche, alltagsnahe Begleitung, die im Versorgungsalltag häufig zu kurz kommt.

Die Anwendung ist medizinisch geprüft und erfüllt laut Hersteller alle Anforderungen an Evidenz und Sicherheit. In einer randomisierten Studie zeigten 70 Prozent der Teilnehmenden eine signifikante Symp-tomverbesserung. Für Menschen mit oft langjähriger Krankheitsgeschichte ist das ein relevantes Ergebnis. Bayer versteht „Cara Care für Reizdarm“ nicht als Ersatz für klassische Therapie, sondern als fundierte Ergänzung. „Wir möchten ein personalisiertes, unabhängiges Konzept aus therapeutischen Zusatzangeboten anbieten“, erklärt Obermeyr.

Strukturelle Hürden und Perspektiven

In der Praxis zeigt sich, dass die Integration digitaler Anwendungen noch mit vielen Hindernissen verbunden ist. Der digitale Verordnungsprozess ist nicht einheitlich geregelt, die Anbindung an Praxissoftware bleibt oft umständlich. Auch der Diagnoseweg erschwert den Zugang: Das Reizdarmsyndrom ist eine Ausschlussdiagnose, die häufig erst spät gestellt wird. Viele Betroffene wissen gar nicht, ob sie die für eine DiGA-Verordnung notwendige Diagnose (K58) offiziell erhalten haben.

Auch die Akzeptanz auf ärztlicher Seite ist nicht einheitlich. Während manche Fachpersonen großes Potenzial in DiGA sehen, überwiegen bei anderen Skepsis oder Unklarheit über Nutzen, Vergütung und Integration. Bayer setzt daher auf Dialog, bei dem der Außendienst ein wichtiger Kontaktpunkt bleibt, ergänzt durch Fortbildungen, Kongresse und Beiträge in Fachmedien. Medizinerinnen und Mediziner erhalten zudem die Möglichkeit, Demo-Accounts zu testen. „Wir setzen auf den Dialog mit Meinungsbildnerinnen und Meinungsbildnern aus der Gastroenterologie und Allgemeinmedizin, die wertvolle Insights teilen“, so Obermeyr.

Die User befähigen

Langfristig steht für Bayer nicht die Nutzungsdauer der Anwendung im Fokus, sondern deren nachhaltiger Effekt. Ziel ist es, durch Verhaltensänderungen echte Verbesserungen im Alltag zu ermöglichen. „Unser Ziel ist weniger die Bindung über die zwölf Wochen hinaus, sondern vielmehr die Befähigung der Nutzenden“, erklärt Obermeyr. Die DiGA steht damit exemplarisch für eine Entwicklung im Digital-Health-Sektor, bei der es nicht um technische Machbarkeit geht, sondern um praktische Relevanz in der Versorgung