Herr Dahlem, kürzlich wurde das DiGA-Verzeichnis des BfArM um die höhere Risikoklasse IIb ergänzt. Bisher wurde jedoch noch keine DiGA dieser Klasse in das Verzeichnis aufgenommen. Warum gestaltet sich das so schwierig?
Da DiGA-Produkte der Klasse IIb zuvor von der Aufnahme ausgeschlossen waren, gab es in diesem Bereich kaum Innovationen. Es fehlen die Geschäftsmodelle, was wiederum Innovation hemmt. Hersteller zögern, Funktionen zu entwickeln, die eine IIb-Klassifizierung zur Folge haben könnten, aus Sorge, dass das Geschäftsmodell nicht tragfähig ist. 

Welche Chancen sehen Sie für DiGA IIb-Produkte und wie stehen die Hersteller dazu?
Es gibt durchaus spannende Perspektiven. Es lohnt sich, auch in diese Richtung Innovationen zu betreiben. Hersteller könnten dies grundsätzlich begrüßen, denn der Wettbewerb ist in diesem Hochrisiko-Bereich noch gering. Interessante Entwicklungen könnten beispielsweise bei der Behandlung von Volkskrankheiten hilfreich sein. Dennoch besteht Vorsicht: Features, die ein höheres Risiko bergen, werden oft aus den Produkten herausgehalten, um Komplikationen zu vermeiden. 

Glauben Sie, dass die Möglichkeit zur Aufnahme von IIb-Produkten den Markt verändert?
Ja, durchaus. IIb-Produkte könnten wirkmächtiger sein, was bedeutet, dass sie sowohl größere Vorteile als auch höhere Risiken mit sich bringen. Dieser Balanceakt zwischen Wirksamkeit und Sicherheit könnte zu neuen, stärkeren DiGA-Produkten führen, die dann wiederum anspruchsvollere Anwendungsgebiete abdecken könnten. 

Welche Rolle könnten Pharmafirmen dabei spielen?
Pharmafirmen könnten Apps entwickeln, die Medikamente begleiten und deren Wirksamkeit unterstützen. Dies könnte zu neuen, interessanten Geschäftsmodellen führen. Ein Beispiel wäre eine App, die die Medikation steuert oder unterstützende Funktionen wie einen Bolus-Rechner für Diabetiker bietet. Solche Funktionen könnten jedoch aufgrund der Risikobewertung zurückgehalten werden, um das Geschäftsmodell nicht zu gefährden.

Hat das DiGA-Verzeichnis bisher die Erwartungen erfüllt?
Das DiGA-Verzeichnis hatte anfangs Schwierigkeiten. Viele Patienten und auch Ärzte sind noch nicht vollständig überzeugt oder informiert. Der Fast-Track-Ansatz war sinnvoll, um die Einführung zu erleichtern, aber langfristig müssen wohl Produkte klinische Daten höchster Evidenz von Beginn an vorlegen.

Wie schätzen Sie die Zukunft von DiGA IIb-Produkten ein?
Es wird wohl noch etwas dauern, bis sich Hersteller in diesen Bereich wagen. Die Entwicklungskosten sind hoch und die Marktchancen unsicher. In den USA ist die Risikobereitschaft höher, und es gibt mehr finanzielle Mittel. Diese Unterschiede beeinflussen die Innovationsbereitschaft erheblich.

Welche Rolle könnte Künstliche Intelligenz in diesem Bereich spielen?
KI kann definitiv ein großer Treiber für Innovationen sein. KI-gestützte Apps könnten Therapieempfehlungen geben und Dosierungen vorschlagen. Hier gibt es jedoch auch Herausforderungen in Bezug auf die Regulierung und die Transparenz der KI-Entscheidungsprozesse. Hybridsysteme, die nachvollziehbare Entscheidungen treffen, könnten eine Lösung sein.

Abschließend, wie optimistisch sind Sie, dass sich DiGA IIb-Produkte durchsetzen werden?
Ich glaube, dass DiGA IIb-Produkte letztlich kommen werden, besonders durch den technischen Fortschritt, den KI mit sich bringt. Die Herausforderung liegt darin, sowohl Patienten als auch Kostenträger von ihrem Nutzen zu überzeugen mit einer soliden Datenlage. Langfristig sehe ich jedoch großes Potenzial für diese neuen, wirksameren digitalen Gesundheitsanwendungen.