Innovation Thinking ermutigt alle am Prozess beteiligten Personen, über den Tellerrand zu schauen und neue kreative Potenziale in Alltagskontexten zu erkennen. Dabei werden die Teilnehmer in die Lage versetzt, neue Verhaltensstrategien in Alltagssituationen zu entwickeln. Durch die systematische Einbindung von Kreativität können wir neue Wege für Healthcare-Fragestellungen finden, sensible Themen angehen, die Wahrnehmung von Umfeld-Bedingungen positiv verändern und dadurch auch die Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten verbessern. 
Tabus ergeben sich aus fest verwurzelten Glaubens- und Wertgrundsätzen in Gesellschaften und werden wie unausgesprochene Normen gelebt.

Sie stammen meist aus gesellschaftlichen Erwartungen und führen zu internalisierten Verhaltensregeln. Sie limitieren die Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Erkenntnissen und „anderen“ Strategien und setzen vermeintlich schwer überwindbare Grenzen in der Entscheidungsfindung. Bei Gesundheitsthemen führen Tabus und tabuisiertes Verhalten zu eingeschränkter Offenheit, Vorbehalten, Ängsten und Vermeidungsstrategien: Für Selbstwirksamkeit und proaktives Therapieverhalten eher eine zusätzliche Barriere als ein Türöffner.

Die Enttabuisierung im Gesundheitskontext

Die Konfrontation von Menschen mit Tabus zeigt uns in unserer Forschung immer wieder, dass sie unsichtbare Schranken markieren, die durch Ängste und Vorurteile zementiert wurden. In der Gesundheitsversorgung manifestieren sich diese Tabus im Zögern der Betroffenen, über Krankheiten wie psychische Störungen, sexuelle Gesundheit, Krebs und End-of-Life-Care offen zu sprechen. Doch gerade in der Auseinandersetzung mit solchen sensiblen Themen zeigen sich ungenutzte Potenziale für tiefgreifende Veränderungen in der Patientenbetreuung und Therapieentwicklung.

Durch die Anwendung des Innovation Thinking auf mitunter tabuisierte Gesundheitsthemen eröffnen sich neue Möglichkeiten für Analysen, Handlungsempfehlungen und die praktische Umsetzung. Beispielsweise kann die Einsicht, dass Menschen in bestimmten Kontexten automatisch handeln, genutzt werden, um Gesundheitsbotschaften effektiver zu gestalten und Verhaltensänderungen zu fördern. Durch das Erkennen und die Nutzung von psychologischen ‚cues‘ und ‚codes‘, die in den Alltagskontexten der Menschen verankert sind, können wir Barrieren abbauen und einen offeneren Dialog über bisher vermiedene Themenstellungen führen.

Tools unseres Innovation-Thinking-Ansatzes ermutigen uns immer wieder auf‘s Neue, über die Grenzen des Gewohnten hinauszudenken und kreative Lösungen für alltägliche Herausforderungen zu finden. Diese Form des Denkens, die unsere eigene Alltagskreativität in den Mittelpunkt stellt, bietet einen unverbauten Blick auf neue Umgangsformen mit Gesundheitsthemen und Schlüsselreize, um künftig erfolgreich zu kommunizieren. Uns ermöglicht das Vorgehen, den Kontext von bestehenden Verhaltensmustern zu verstehen und neue, intuitiv funktionierende Wege zu entdecken.

■ Tabuüberwindung und Innovation Hand in Hand

Das Psychodrama als Methode der angewandten Psychotherapie erlaubt es uns, emotionale und zwischenmenschliche Themen durch Nach-Erleben zu erforschen. Die verschiedenen kontextbezogenen Methodenbausteine und zahlreichen Kreativtechniken der Psychodrama-Forschung erweisen sich als ideales Werkzeug für ein Innovation Thinking im Management von Healthcare-Unternehmen. 

Zentral ist dabei die aktuelle Erkenntnis der wissenschaftlichen Psychologie, dass sich menschliches Verhalten zum größten Teil mit intuitiven Erfahrungs-gesteuerten Reaktionen auf spezifische Umfeld-Bedingungen (Kontexte) verstehen lässt. Menschen, Ärzte, Patienten entscheiden nur in den seltensten Fällen nach langer Abwägung sachlicher Argumente (Daniel Kahnemans ‚System 2‘), in aller Regel bilden sie sich sehr schnell und energiesparend ein Bauch-Urteil, das erst bei Bedarf, z.B. bei konkreten Nachfragen nachträglich rationalisiert wird. Psychodramatische Forschung rekonstruiert diese Art des Alltags-Entscheidens mit Hilfe spielerisch-kreativer Methoden wie dem Rollenspiel und vielen anderen mehr.

Die Einbindung von KI in diesen innovativen Ansatz eröffnet zudem zusätzliche Möglichkeiten: KI-Anwendungen unterstützen uns schon heute in unseren iterativen Prozessen, komplexe Datenmuster zu erkennen und zu interpretieren, die Einblicke in das Verhalten und die Bedürfnisse von Patienten liefern. Von der Analyse von Sprachmustern in Therapiesitzungen bis hin zur Entwicklung personalisierter Behandlungspläne oder Visualisierungen von psychodramatisch bedeutsamen Schlüsselreizen als Hebel für den Erfolg – KI hat das Potenzial, die Art und Weise, wie wir Gesundheit verstehen und fördern, grundlegend zu verändern.

Ein neues Paradigma der Gesundheitsforschung

Die Kombination von Psychodrama-Forschung, Innovation Thinking und KI schafft neue und effiziente Möglichkeiten im Healthcare-Management. Indem wir das intuitive Handeln unserer Alltagskreativität nutzen und dabei neueste technologische Hilfsmittel einbeziehen, können wir Barrieren schneller überwinden und Gesundheitskommunikation verbessern, die wirklich auf den Alltag von Ärzten oder Patienten in ihrem jeweiligen Lebensumfeld ausgerichtet ist.

In der Praxis hat die Anwendung von Innovation Thinking in Kombination mit verschiedenen Psychodrama-Tools zu Erkenntnissen in der Behandlung tabuisierter Gesundheitsthemen, aber auch zur Etablierung neuer Therapien geführt. Beispielsweise hat die Verwendung sensibler Rollenspiele Hodenkrebs-Patienten ermöglicht, ihre Ängste und Sorgen in einem experimentellen Umfeld auszudrücken und Ansätze zur Überwindung gemeinsam zu erarbeiten. Die Ansätze haben in ihrer Umsetzung nicht nur zu einer verbesserten Patientenkommunikation geführt, sondern auch neue Perspektiven für die Behandlung eröffnet.

Die Herausforderung, Tabus und Verhaltensroutinen im Gesundheitswesen zu überwinden, erfordert Mut, Kreativität und die Bereitschaft, neue Herangehensweisen auszuprobieren. Durch die Verbindung von tiefem menschlichen Verständnis mit ebenso menschlicher Alltagskreativität, können wir nicht nur bestehende Grenzen verschieben, sondern auch das Wohlergehen von Patienten auf eine Weise fördern, die bisher nur schwer vorstellbar war. Lasst uns gemeinsam diese Reise antreten und die Zukunft der Gesundheitsversorgung neu gestalten!

 

Über die Autoren:

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Dr. Uwe Lebok gilt im deutschsprachigen Raum als Marketing-Experte für die Positionierung von Marken und verstärkt als Impulsgeber Marken in „Sackgassen“. Er ist Vorstand (CMO) beim Marktforschungs- und Markenberatungsinstitut K&A BrandResearch und unterstützt vor allem mittelständische Unternehmen mittels researchbasierter Markenstrategien.

 

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Nach dem Studium der Psychologie und Marketing ist der Diplom-Psychologe Florian Klaus seit 2005 bei K&A Brand-Research in der Kundenbetreuung auf Basis von Verbraucherstudien tätig. Als Partner ist er Mitglied der K&A-Geschäftsleitung und betreut nationale und internationale Kunden aus den Bereichen Food und Beverage, Telekommunikation und neue Medien. Zudem ist er verantwortlich für die psychologische Marktforschung und „Antreiber“ für deren Weiterentwicklung.